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Zu dumm für ein Kind? Eltern verlieren das Sorgerecht für ihre Kinder

Kann man zu dumm für die Kindeserziehung sein?

Einem Paar aus Oregon wurden die Kinder vom Jugendamt weggenommen. Der Grund: Mama und Papa sollen zu dumm für die Kinderbetreuung sein.

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Es klingt unglaublich: Eltern aus dem US-amerikanischem Bundesstaat Oregon wurde das Sorgerecht für ihre beiden Kinder entzogen. Die Begründung: Das Paar habe einen zu niedrigen IQ, um sich um seine beiden Söhne zu kümmern.
Fast vier Jahre versucht die Eltern nun schon dem Staat Oregon zu beweisen, dass sie intellektuell in der Lage sind, die Erziehung ihrer Kinder zu übernehmen. Laut Annahmen des Department for Human Services seien die Eltern allerdings geistig zu begrenzt, um sich ausreichend um ihren Nachwuchs kümmern zu können.
Die Eltern hatte das Sorgerecht für ihre älteren Sohn Christopher kurz nach dessen Geburt verloren. Vor sechs Monaten nahm ihnen der Staat auch ihren zweiten Sohn, den Neugeborenen Hunter, direkt aus dem Krankenhaus heraus weg. Beide Kinder befinden sich nun in Obhut von Pflegeeltern.

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Keine Hinweise auf Misshandlung

Den Eltern konnte kein Akt der Misshandlung oder Vernachlässigung vorgeworfen werden. Vielmehr sollen Amy Fabbrini und Eric Ziegler über begrenzte kognitive Fähigkeiten verfügen und deshalb nicht in der Lage sein, sich vernünftig um ihre Kinder zu kümmern. Ein Intelligenz-Test ergab, dass Amy über einen IQ von 72 und Eric über einen IQ von 62 Punkten verfüge. Damit liegen sie weit unter dem Durchschnitt in den USA, der bei 90 bis 110 Punkten liegt. Sie gelten allerdings mit diesem Wert nicht als geistig behindert – dafür müsste ein Wert von unter 50 Punkten vorliegen. Beide Elternteile verfügen über einen High-School-Abschluss.

Dem Jugendamt gemeldet

Auf das Paar aufmerksam geworden ist das Amt durch einem anonymen Hinweis im Jahr 2013. Wahrscheinlich war es der Vater der mittlerweile 31-jährigen Amy, der die Behörden informiert hatte. Dieser spricht sich vehement dagegen aus, dass seine Tochter und deren Lebensgefährte ihre beiden Söhne zurückbekommen. „Sie hat überhaupt keinen Mutterinstinkt“, sagt der 74-jährige Mann in einem Interview mit der Zeitung „The Oregonian“. Amy widerspricht den Aussagen ihres Vaters deutlich: „Ich liebe Kinder", erzählt sie im Interview mit der Zeitung . „Sie sind meine Leidenschaft. Ich liebe es, mit ihnen zu spielen. Darin sehe ich auch meine Zukunft.“

Als Christopher zur Welt kam, lebte Amy gerade bei ihrem Vater – und hatte keine Ahnung davon, dass sie schwanger war. Sie und Eric wurden von der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes komplett überrascht. Das ist vor allem verwunderlich, da dies nicht die erste Schwangerschaft für Amy war. Bereits mit ihrem Ex-Mann hatte sie Zwillinge, für welche sie sich das Sorgerecht mit dem Vater teilte. Doch auch das wurde ihr mittlerweile entzogen.
Die Schwangerschaft mit dem kleinen Hunter, der dieses Jahr zur Welt kam, hat die Mutter dagegen bewusst wahrgenommen. Und sich auf den Nachwuchs gefreut. Sie und Eric – mit dem sie mittlerweile zusammenwohnt – haben liebevoll ein Kinderzimmer für ihren Sohn eingerichtet und der Geburt freudig entgegengeschaut. Doch Hunter konnte sein Zimmer nie sehen, bereits im Krankenhaus wurde er dem Paar weggenommen.
Christopher und Hunter sollen zur Adoption freigegeben werden. Amy und Eric haben im Moment nur ein Besuchsrecht für die Kinder und dürfen nur unter Aufsicht Zeit mit ihnen verbringen.
Um das Sorgerecht für ihre beiden Söhne wiederzuerlangen, hätten die beiden „alles getan, was das Sozialamt von [Ihnen] verlangt hat“, so Amy. Gemeinsam mit ihrem Partner hat die Mutter an zahlreichen Fortbildungen zur Kindererziehung und gesunden Ernährung teilgenommen. Sogar einen Erste-Hilfe-Kurs hat das Paar besucht. Bisher waren ihre Bemühungen allerdings erfolglos.

Was ist für ein Kind wichtig?

Der Fall von Amy und Eric ist kein Einzelfall. Laut einer Statistik verlieren in den USA 40 bis 80 Prozent aller Eltern mit eingeschränkten kognitiven Leistungen das Sorgerecht für ihre Kinder. Doch ist dies gerechtfertigt? Worauf kommt es beim Elternsein an? Spielt es eine Rolle, ob die Eltern über ein paar IQ-Punkte mehr oder weniger verfügen? Welcher Grad der Einschränkung macht Menschen nicht mehr zu guten Eltern?
Der Anwalt von Amy und Eric ist ganz klar der Meinung, dass der verringerte Intellekt des Paares kein Grund ist, ihnen ihre Kinder wegzunehmen: "Ein kognitiv beeinträchtigtes Elternteil kann seine Elternpflicht immer noch wahrnehmen", sagt Aron Perez-Selsky. "Ihre Rechte können ihnen nicht entzogen werden, nur weil sie unter kognitiven Beeinträchtigungen leiden, solange sie in der Lage sind, darzulegen, wie sie die Kinder […] sicher versorgen."
„Die Mitarbeiter der Behörde haben sehr wenig Erfahrung mit Menschen mit einer geistigen Behinderung. Weil sie sich am Kindswohl orientieren, entscheiden sie sich lieber dafür, das Kind zu beschützen und erkennen nicht, dass die Eltern sehr wohl in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern“, sagt Susan Yuan von der Universität von Vermont. Sie fügt hinzu: „Die Fähigkeit, seine Kinder zu erziehen, hängt nicht vom IQ der Eltern ab.“ Denn: „Auch intelligente Paare mit einem IQ von über 150 können sehr schlechte Eltern sein.“

Ähnlicher Fall in Deutschland

Auch in Deutschland gab es von 1998 bis 2002 einen Fall, der an das Schicksal von Amy und Eric erinnert. Den Osnabrückern Eltern Annette und Ingo K. wurde das Sorgerecht für ihre beiden Töchter entzogen - die Mädchen wurden in Pflegefamilien untergebracht.
Eigentlich hatten es die Eltern nur gut gemeint: Kindergärtnerinnen fällt auf, dass die beiden Mädchen Entwicklungsprobleme haben, sie raten den Eltern Unterstützung von einer Familienhelferin zu suchen. Doch als die Psychologin die Familie besucht, kümmert sie sich mehr um die Eltern als um die Kinder. In ihrem Gutachten schreibt die Beraterin, dass Anette und Ingo intellektuell nicht in der Lage seien, ihre Kinder zu erziehen.Das Jugendamt handelt und nimmt dem Ehepaar die Kinder weg.
Doch Annette und Ingo K. geben sich mit diesem Urteil nicht zufrieden. Gemeinsam mit einer engagierten Anwältin kämpfen sie um ihre Kinder – bis hin zur Klage am Europäischen Gerichtshof. Und dort bekommen die Eltern Recht: Die Straßburger Richter bezeichnen die Trennung der Kinder von ihren Eltern als "unangemessen". Eine solche Trennung von Eltern und Kind solle außerdem nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Ziel müsse es sein, die Familie wieder zusammenzuführen, wenn es die Umstände erlauben. Denn eine Familie ist ein so hohes Gut, dass auch kein Amt oder Gericht es beschädigen darf.

Bildquelle: iStock

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