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Lebensmüde durch Corona: Jugendliche in der Pandemie

Suizdverhalten von Heranwachsende

Die Pandemie ist für niemanden leicht, die psychosoziale Belastung war und ist bei den meisten Deutschen hoch. Jetzt konnten Forschende nachweisen, dass entgegen der Annahme, 2020 die Suizidrate in Deutschland und in den meisten Industriestaaten nicht generell gestiegen ist. Eine Gruppe bietet allerdings Anlass zur Sorge.

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Tobias Teismann, Ute Lewitzka und Peter Brieger fassen in ihrem Artikel "Suizidales Erleben und Verhalten im Rahmen der Covid-19- Pandemie" die Erkenntnisse der Suizidforschung der letzten zwei Jahre zusammen. Dafür untersuchten sie die bisher verfügbaren Studien und Metaanalysen zu Suiziden, Suizidgedanken und Suizidversuchen im Kontext der Pandemie. Ihre Arbeitsthese lautete zunächst: Die Pandemie könnte zu einem Anstieg der Suizidrate führen. Insbesondere für Heranwachsende scheint sich das auch zu bestätigen.

Heranwachsende hatten häufiger Suizidabsichten

Heranwachsende verkraften die Belastungen weniger gut und hätten häufiger Suizidabsichten geäußert, so die Autor*innen. Stichprobenstudien die im Jahr 2020 durchgeführt wurden, zeigten, dass später im Jahr mehr Heranwachsende und Kinder Angst- und Depressionssymptome zeigten als zu Beginn der Pandemie. Besonders weibliche Jugendliche rückten dabei in den Fokus.

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Es konnte festgestellt werden, dass sich die Zahl von Heranwachsenden mit Suizidgedanken oder- versuchen in Folge der Pandemie in etwa verdoppelt hat. Auch wenn mehrere Studien dieses Ergebnis zu bestätigen scheinen, sind die Zahlen mit Vorsicht zu betrachten. Denn es steht immer unter Beobachtung, wer zu diesem Thema befragt wurde und welche Messinstrumente verwendet wurden.

Suizidabsichten erhöht, aber keine erhöhte Zahl an Suiziden

Eine ebenfalls sehr wichtige Erkenntnis: Es kam laut Studien zwar zu einem Anstieg an suizidalen Gedanken und Absichten, aber zu keiner erhöhte Anzahl an Suiziden. Laut den Autor*innen des Artikels ist dies ein Zeichen dafür, dass die meisten Menschen einen guten Umgang mit ihren Suizidgedanken gefunden haben. Auch digitale Angebote können hier entscheidende Hilfe leisten.

Positive und negative Auswirkungen der Pandemie

Es wurde und wird befürchtet, dass die Verringerung von Kontakten, wirtschaftliche Unsicherheiten, häusliche Gewalt und Traumatisierungen sowie Substanzmittelmissbrauch zu einer Zunahme von suizidalem Verhalten führen könnten. Dem gegenüber stehen die durchaus positiven Faktoren in der Pandemie, etwa die Stärkung des sozialen Gemeinschaftsgefühls, mehr Nähegefühl zur Familie und dem sozialen Netzwerk sowie die erhöhte Sichtbarkeit von telefonischen Hilfsangeboten. Auch die Möglichkeit von Online-Therapie und Telemedizin, und die damit einhergehende Senkung einer Hürde zur Nutzung dieser Angebote, wird positiv bewertet.

Ein Großteil der Erwachsenen hat somit offensichtlich resilient auf die frühen coronabedingten Belastungen reagiert.
PD Dr. Tobias Teismann, Geschäftsführender Leiter des Zentrums für Psychotherapie (ZPT) an der Ruhr-Universität Bochum.
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Die Autor*innen des Artikels der im Magazin "Nervenheilkunde 2022" erschienen ist, konnten in Studien erkennen, dass es durchaus eine Zunahme von Angsterleben, Stress, pathologischem Essverhalten oder posttraumatischen Stresssymptomen gab, allerdings vor allem in sozial schwächeren Ländern. Für Deutschland und westliche Industriestaaten legen die Daten nahe, dass es nach einer ersten Zunahme von Belastungen in den Monaten März und April 2020 ab Mai 2020 zu einer Normalisierung von Angst und mentaler Belastung bei den erwachsenen Studienteilnehmenden kam. Die Schlussfolgerung der Autor*innen: "Ein Großteil der erwachsenen Bevölkerung hat somit offensichtlich resilient auf die frühen coronabedingten Belastungen reagiert."

Niedrigschwellige Hilfsangebote weiter ausbauen

Auch wenn die Zahl der Suizide in 2020 leicht gestiegen ist und jedes Todesopfer eines zu viel ist, sie ist die zweitniedrigste der seit 1980 registrierten jährlichen Zahl an Suiziden laut Destatis. Wichtig ist vor allem den Ausbau niedrigschwelliger Krisendienste voranzutreiben und spezielle Präventionsangebote in Schulen zu etablieren. Auch der Hinweis, dass videobasierte Therapie bei Suizidalität hilfreich als Unterstützung sein kann, ist eine wichtige Erkenntnis.

Hier bekommt ihr Hilfe und Rat

Wenn ihr euer Kind gefährdet seht und nicht weiter wisst, steht euch das Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe zur Verfügung. Ihr erreicht es unter 0800 / 33 44 533. In Notfällen, z. B. bei drängenden und konkreten Suizidgedanken zögert nicht, euch an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112 zu wenden. Auch die Telefonseelsorge, erreichbar unter 0800 111 0 111, kann ein erster Anlaufpunkt sein.

Auf der Website FIDEO "fight depression online", finden Kinder- und Jugendliche, die von Depressionen betroffen sind, Hilfe und Tipps, auch für Angehörige und Pädagog*innen stellt die Seite viele Ratschläge zusammen. Vertrauliche und kostenlose Online-Beratung von Fachkräften finden Teenager auch bei bke-Onlineberatung.

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Quelle: Zeitschrift "Nervenheilkunde"

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Hinweis: Die Autor*innen des Artikels geben an, Forschungsförderungen von 3 Projekten durch den G-BA Innofond und ein Projekt durch die Forschungsförderung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege sowie Vortragshonorare von Janssen erhalten zu haben.

Bildquelle: getty images / iStock / Getty Images Plus / Madrolly