Eine Lernbehinderung fällt erst im Schulalltag auf. Denn hier geht es plötzlich um Leistung und viele Kinder erleben jetzt im direkten Vergleich, wie schlecht sie mit manchen Anforderungen zurecht kommen. Im ersten Schritt ist daher eine Rücksprache mit dem Lehrpersonal hilfreich.
Lernbehinderung: Was ist das?
Tatsächlich vermeiden viele Wissenschaftler*innen heute das Wort Lernbehinderung. Stattdessen wird von einer Lernbeeinträchtigung gesprochen. Beides bedeutet, vereinfacht gesagt, dass ein Kind Schwierigkeiten hat, dem Unterrichtsgeschehen zu folgen. Oftmals können Kinder mit einer Lernbehinderung sich nicht gut konzentrieren und sind im wahrsten Sinne des Wortes blockiert, wenn sie Aufgaben lösen sollen. Eine Lernbehinderung ist aber nichts, was ihr euren Kindern ansehen könnt, wie es beispielsweise bei einer körperlichen Beeinträchtigung der Fall sein könnte.
Lernbehinderung: wie das Kind fördern?
Es braucht eine individuelle Förderung, die auf eure Kind abgestimmt ist. Das könnt ihr nicht allein schaffen, dafür benötigt ihr die Unterstützung von Fachpersonen. Die Förderung zielt immer darauf ab, das Selbstbewusstsein zu stärken und die Frustrationstoleranz zu erhöhen.
Auch ihr Eltern werdet, bei einer guten Förderung, unterstützt. Denn auch ihr braucht ein gutes Netzwerk, was euch hilft, eurem Kind zu helfen. Dafür sollte die Schule mit euch zusammenarbeiten, statt euch und eurem Kind Steine in den Weg zu legen.
Wann sollten Eltern an eine Lernbehinderung denken?
Wenn euer Kind über einen längeren Zeitraum schulische Probleme hat, dann könnt ihr um ein Gespräch mit der Lehrerin oder dem Lehrer bitten. Diese können berichten, wie euer Kind sich im Unterricht verhält. Werden ein oder mehrere auffällige Punkte aus der nachfolgenden Liste angesprochen, können diese Indizien auf eine Lernbehinderung hindeuten.
- Geringer Lernumfang
- Schnelleres Vergessen
- Langsames Arbeitstempo
- Große Schwierigkeiten beim Erledigen von komplexeren Aufgaben
- Einmal Gelerntes kann kaum auf neue Themenfelder übertragen werden
Darüber hinaus könnt ihr Lehrer*innen gezielt danach fragen, ob ihnen etwas an eurem Kind aufgefallen ist. Die folgenden Anzeichen könnten ein Zeichen für eine Lernbeeinträchtigung sein.
- emotionale Instabilität
- das Kind lässt sich sehr leicht ablenken
- eingeschränkte Sprachfähigkeiten
- das Kind hat nur eine sehr vereinfachte Vorstellungsfähigkeit
- das Kind hat eine beeinträchtigte Wahrnehmungsfähigkeit
- Gefühle können schlecht reguliert werden
- weitere Verhaltensauffälligkeiten wie z.B. soziale Probleme, Aggressivität
Wer stellt eine Lernbehinderung fest?
Eine geeignete Fachperson, meist die Schulpsychologin wird den Kontakt zu euch suchen. Wenn es solch eine Fachperson an eurer Schule nicht gibt, wird sicherlich der Lehrer auf euch zukommen. In dem Fall wird dann der Gang zu einer Psychologin oder einem Psychologen nötig.
Es gibt, um die Verdachtsdiagnose einer Lernbehinderung zu bestätigen (oder auszuräumen) einen standardisierten Test. Dabei wird überprüft, wie gut die Fähigkeiten eures Kindes beim Lesen, Schreiben und Rechnen im Vergleich zur Leistung von Gleichaltrigen mit der gleichen Beschulungszeit sind. Außerdem kann ein Intelligenztest gemacht werden. Weitere Tests, die unter anderem das abstrakte Denken oder verbale Fähigkeiten untersuchen, können folgen. Auch ihr Eltern werdet befragt, weil diese Diagnose auch nicht leichtfertig ausgesprochen wird.
Warum ist ein Kind lernbehindert?
Die Frage nach dem Warum kann quälend sein. Die Gründe für eine Lernbehinderung sind nicht immer klar, es gibt verschiedene Ansätze, was eine Lernbeeinträchtigung begünstigen kann.
- Genetische Ursachen: Es wurde festgestellt, dass bestimmte Stoffwechselerkrankungen oder Erbgutdefekt eine Lernbehinderung begünstigen können
- Sauerstoffmangel unter der Geburt kann zu Schädigungen des Gehirns führen
- Medikamente oder Infektionen während der Schwangerschaft können ebenfalls eine Lernbeeinträchtigung begünstigen
- Psychische Erkrankungen wie beispielsweise eine Depression können die intellektuelle Leistungsfähigkeit eurer Kinder einschränken
- Einflüsse aus der unmittelbaren Umgebung können eine Lernbehinderung begünstigen. Wenn eure Kinder wenig emotionale oder soziale Zuwendung erhalten, kann das zu Beeinträchtigungen führen
Mit einer Lernbehinderung sollte das Kind auf welche Schule gehen?
Es gibt zwei Möglichkeiten für einen Schulbesuch. Zum einen kann euer Kind auf der Regelschule bleiben. Das setzt allerdings voraus, dass die Schule sich um die Integration von lernbeeinträchtigten Schüler*innen bemüht. Und es heißt für eure Kinder auch, dass sie zusätzliche Förderung benötigen.
Die Alternative ist die Beschulung in einer Förderschule. Hier werden eure Kinder in kleineren Klassen unterrichtet. Außerdem haben auch ihre Mitschüler*innen Lernbeeinträchtigungen, so dass die Lehrer*innen gezielter und individueller auf Bedürfnisse eingehen können. Ein Übertritt in eine Regelschule ist bei ausreichend guten Leistungen später durchaus möglich.
Lernbehinderung: Welcher IQ?
Eine Lernbehinderung bedeutet NICHT, dass eure Kinder einen niedrigen IQ haben. Es gibt Fälle, in denen Wissenschaftler*innen dies nachgewiesen haben, aber das gilt nicht für alle Kinder. Auch Kinder mit einem durchschnittlichen IQ können eine Lernbeeinträchtigung haben. Wichtig ist, dass auch ihr als Eltern versteht, dass eine Lernbehinderung nicht die gesamte Persönlichkeit eures Kindes definiert.
Forschungen haben allerdings ergeben, dass statistisch betrachtet mehr Jungen als Mädchen Lernbeeinträchtigungen haben.
Welche Ausbildung bei Lernbehinderung?
Wenn eure Kinder auf eine Regelschule gehen, dann können sie theoretisch auch jede Ausbildung absolvieren. Es ist nur wichtig zu schauen, ob eure Kinder mit den Anforderungen im Ausbildungsberuf auch wirklich zurecht kommen. Gespräche mit dem Ausbildungsbetrieb und der Schule sind wichtig, um Frust zu vermeiden.
Darüber hinaus gibt es aber auch Ausbildungen, die speziell für Menschen mit Behinderungen geeignet sind. Es kann sein, dass sich eure Kinder in einem dieser Berufe wohler fühlen. Das ist sehr individuell. Die Liste mit Ausbildungsberufen für Menschen mit Behinderungen ist sehr umfassend und bildet verschiedene Interessen ab.
Wie können Kinder mit Lernbehinderung unterstützt werden?
Geschultes Fachpersonal wird, nach bestätigter Diagnose, individuelle Fördermaßnahmen beschließen. Dafür ist es wichtig, dass die Person das Lernverhalten eures Kindes beobachten kann. Was sorgt für Frust, wie geht euer Kind mit Misserfolg um, all das ist ein wichtiger Aspekt in der späteren Förderung. Das Ziel all dessen ist, eurem Kind ein Stück Selbstvertrauen zurückzugeben. Denn das leidet am meisten, wenn Kinder das Gefühl bekommen, anders zu sein, als die anderen.
Die Diagnose Lernbehinderung kann Kinder und Eltern erst mal ganz schön aus der Bahn werfen. Umso wichtiger ist es, dass dann gute, individuelle Förderung verfügbar ist, die Kindern das Selbstvertrauen in sich selbst zurück gibt. Noch immer ist der Makel groß, wenn Kinder nicht so "funktionieren", wie die Schulvorgaben das erwarten. Eine gute Inklusion aller Schüler*innen ist essentiell, um auch die Lernbehinderung aus der Ecke der Scham herauszuholen.
Mein Fazit
Ich mag das Wort Lernbehinderung nicht, weil es die Kinder so abstempelt. Und wenn Kinder eines brauchen, dann ist es einen liebevollen, offenen Blick und keine Diagnose, die ihr weiteres Leben bestimmt. Das bedeutet nicht, dass man diese Beeinträchtigung auf die leichte Schulter nehmen sollte, für Betroffene ist das eine riesige Herausforderung. Aber sie sollte nicht definieren, wie Fremde auf Kinder schauen.
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