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Heimatgefühle

Nesthocker: Wieso Kinder immer länger bei den Eltern bleiben

Nesthocker

Eltern und Kinder verstehen sich heute besser denn je, oft besteht sogar ein freundschaftliches Verhältnis. Das ist schön, allerdings sorgt diese neue Verbundenheit auch dafür, dass immer mehr junge Erwachsene zu Nesthockern werden und auch in den Mittzwanzigern noch zuhause wohnen.

Die Schulzeit ist schon ein ganzes Weilchen her, Ausbildung oder Studium sind in vollem Gange oder gar schon abgeschlossen, vielleicht herrscht aber auch schon seit Jahren Ahnungslosigkeit, was mit dem Schulabschluss jetzt angefangen werden soll. Egal welches Szenario zum Sohnemann oder zur Tochter passen, viele von ihnen entscheiden sich, erst mal weiter zuhause bei den Eltern zu leben. Ist ja auch superpraktisch und bequem im gemachten Nest zu bleiben. Da, wo das Essen abends auf dem Tisch steht, die Wäsche gewaschen wird und die Miete gratis ist. Da, wo Mama immer mit einem guten Ratschlag zur Seite steht und auf Papas Lebensweisheiten immer Verlass ist. Meist beginnt alles mit der Idee, “noch ein paar Monate” bei den Eltern zu bleiben und sich dann irgendwann auf die Suche nach etwas Eigenem zu begeben. Doch was, wenn aus Monaten Jahre werden und das Wohnen bei den Eltern zum Dauerzustand?

Mehr als ein Viertel wohnt mit 25 noch zuhause

In der Regel erfolgt der Auszug aus dem Elternhaus mit Beendigung der Schulzeit, bzw. kurz danach, wenn der Nachwuchs eine Ausbildung oder ein Studium startet. Doch das läuft längst nicht immer so ab: Laut Statistischem Bundesamt wohnten im Jahr 2017 von den 25-Jährigen noch 28 % im Haushalt der Eltern: “Junge Frauen verlassen den elterlichen Haushalt dabei früher als ihre männlichen Altersgenossen. Mit 25 Jahren wohnte 2017 nur noch jede fünfte junge Frau als lediges Kind bei den Eltern. Mit 30 Jahren waren es noch 6 % und mit 40 Jahren nur noch 1 % der Frauen. Bei den jungen Männern verzögert sich im Vergleich das durchschnittliche Auszugsalter: Mit 25 Jahren lebten noch 34 % der männlichen Bevölkerung im Haushalt der Eltern. Mit 30 Jahren gehörten noch 12 % und mit 40 Jahren noch 4 % der Männer als lediges Kind dem Haushalt der Eltern an”, so das Statistische Bundesamt. Langfristig gesehen verlassen Kinder heute später das Elternhaus: Lebten 1972 zwei von zehn (20 %) der 25-Jährigen noch bei den Eltern, waren es 2017 deutlich mehr, nämlich drei von zehn (29%).

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Mietenexplosion und ein besseres Verhältnis machen Kinder zu Nesthockern

Wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist, liegt unter anderem daran, dass die Mieten in den Großstädten enorm angestiegen sind. Für ein WG-Zimmer zahlt man heute teilweise schon so viel, wie vor 10 Jahren noch für eine eigene Wohnung: In München kostete 2018 ein WG-Zimmer im Schnitt 557 € im Monat. Darauf folgen Frankfurt (456 €), Hamburg (453 €), Berlin (440 €) und Köln (436 €). Warum also die explodierenden Mieten auf sich nehmen, wenn es zuhause kostenlos ist? Auch in ländlichen Regionen sieht es kompliziert aus: Hier steigen die Mieten zwar nicht so schnell, wie in den Großstädten, allerdings finden Jugendliche hier manchmal nur schwer Ausbildungsplätze und die werden dann oft so schlecht bezahlt, dass eine eigene Wohnung einfach nicht bezahlbar ist.

Neben der finanziellen Abhängigkeit vom Elternhaus kommt in manchen Fällen aber auch eine emotionale Begründung dazu. Kinder haben heutzutage oft ein eher freundschaftliches, lockeres Verhältnis zu den Eltern. Dominierten früher noch Sprüche wie “Solange du deine Füße unter meinen Tisch setzt…”, gilt heute vielmehr Akzeptanz und Offenheit. Das macht es natürlich auch wesentlich angenehmer, lange zuhause zu wohnen.

Viele Eltern stört es überhaupt nicht, dass ihre Kinder so lange zuhause bleiben. Wenn das Verhältnis gut ist und so einiges an Kosten erspart bleibt, bringt das gemeinschaftliche Wohnen auch bis in die Mittzwanziger Jahre einige Vorteile mit sich. Aber was, wenn ihr als Eltern doch irgendwann genug von eurem Nesthocker habt und euer Sohn oder eure Tochter aber einfach nicht selbstständig werden?

Den Nesthocker selbstständig machen: Tipps für Eltern

Der Deutsche Sozial-, Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann beschäftigt sich in seiner Forschung viel mit Jugend- und Erziehungsfragen. In einem Interview mit der Berliner Zeitung rät er: “Eltern müssen klar artikulieren: Wir möchten nicht, dass du hier ewig wohnen bleibst. Und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um auszuziehen. Man muss das Küken auch manchmal rauswerfen, damit es fliegen lernt. Diesen Mut müssen Eltern haben. Sie sollten allerdings darauf achten, dass das nicht zum falschen Zeitpunkt passiert. Und die Selbständigkeit länger vorbereiten. Das Kind muss schrittweise, schon beginnend im Grundschulalter, lernen, mit Geld umzugehen, Entscheidungen zu treffen und so weiter. Und dann können Eltern irgendwann sagen: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Wir unterstützen dich dabei, wenn du dein eigenes Leben beginnst.”

Ein kleiner Tritt in den Hintern ist also voll okay. Das wichtigste dabei (wie immer): Kommunikation. Wenn ihr eurem Kind verständlich begründet, wieso es nun an der Zeit ist, auf eigenen Beinen zu stehen und es auf seinem Weg unterstützt, wird alles gar nicht so schlimm sein. Damit tut ihr eurem Kind vielmehr einen Gefallen: Schließlich ist Selbstständigkeit ein wichtiger Punkt des Erwachsenwerdens. Was natürlich nicht bedeuten soll, dass alle die, die noch länger zuhause wohnen unselbstständig sind – in manchen Fällen funktioniert das gemeinsame Leben als Familie auch ein Leben lang. Nur ist dieses Lebensmodell einfach nicht für jeden geeignet.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Berliner Zeitung