Das Schreckgespenst “Pubertät” kennen alle. Die typischen Nebenwirkungen erwischen Eltern trotzdem meistens kalt. Woher die plötzlichen Anfeindungen kommen und wie Stresssituationen vermieden werden können, erfahrt ihr hier.
Gerade eben hat sie noch hingebungsvoll mit Playmobil gespielt und plötzlich sperrt sie ihre Zimmertür ab, dreht die Musik auf und möchte nicht mehr mit euch reden. Und gefühlt gestern noch war Mama die größte Heldin für ihn und jetzt möchte er nicht mal mehr im Bus neben ihr sitzen. Auf einmal ist alles schrecklich, unterirdisch und unmöglich. Man kann es ihnen einfach nicht mehr recht machen. Papas Sandalen, Mamas Brille, das Bedienen des Smartphones mit Zeigefinger statt Daumen. Das universelle Teenager-Urteil lautet: „Peinlich!“
Runter vom Podest: „Traumpapa“ und „Traummama“ adé
Was sind die Gründe für euren Statusverlust? Und wann fängt es an, dass das eigene Kind sich für die Eltern schämt? Kinder wollen stets „dazugehören“ und beginnen deshalb schon im Alter zwischen vier und zehn damit, andere Kinder zu beobachten und sich zu merken, was ihre Altersgruppe blöd findet oder mag. Sie haben Angst, dass das vermeintlich peinliche oder andersartige Verhalten der Eltern in der Wahrnehmung der anderen Kinder auf sie selbst abfärben und damit ihre Zugehörigkeit zur Gruppe gefährden könnte. Alles, was nicht den Normvorstellungen der eigenen Altersgruppe entspricht, wird daher abgelehnt. Beispielsweise empfinden Kinder es als Problem, wenn die Eltern auffällig bunte Kleidung tragen, während die anderen Eltern sich eher dezent kleiden.
Mit Beginn der Pubertät, im Alter von 10 bis 13 Jahren, rückt das Motiv der Gruppenzugehörigkeit in den Hintergrund. Wichtig ist jetzt, was die eigene Identitätsfindung unterstützt. Dabei hilft die Abgrenzung von den eigenen Eltern, von ihrem Verhalten, ihren Gewohnheiten oder ihrem Lebensmodell. Und dann werden eben Papas Filzlatschen und Mamas Lieblingsshirt zu Familienproblemen stilisiert und die Eltern als Vorbilder gründlich demontiert. Jugendliche bauen eine Fassade auf, um cool und selbstsicher zu wirken, und da kommen ihnen elterliche „Fehltritte“ wie Sabotage am eigenen Image vor. Ein Papa, der das Schulbrot hinterher bringt, das Kind vor dem Schultor absetzt und auch noch ein Küsschen gibt, wird als Zeichen von Unselbstständigkeit gedeutet – und eben das wollen Kinder um jeden Preis vermeiden. Versucht also, eurem Kind mehr Freiräume zu lassen.
Der Schlüssel zum Glück
In vielen Familien ist es üblich, zuhause sehr freizügig mit dem Körpern umzugehen. Man will dem Kind schließlich vermitteln, wie wichtig ein offener und selbstbewusster Umgang mit dem eigenen Körper ist. Und plötzlich sehen Eltern ihren Erziehungsansatz gescheitert: Die Badezimmertür wird abgesperrt, stundenlang bleibt sie verschlossen, weil Sohn oder Tochter mit dem Aussehen hadern und noch Anti-Pickel-Produkte, Abdeckstift und Haarprodukte auflegen müssen. Und das versehentliche Hereinplatzen während eines Toilettengangs, löst einen Wutanfall aus.
Das heißt nicht, dass in eurer Erziehung etwas schiefgelaufen ist, es ist einfach nur das natürliche Erwachen des Schamgefühls. Nie wieder ist das Aussehen so wichtig, wie in der Pubertät. Der Körper verändert sich so stark, dass Jugendliche einfach Zeit brauchen, um sich an die neuen Äußerlichkeiten zu gewöhnen und die Intimsphäre spielt dabei eine sehr große Rolle. Gönnt eurem Kind daher die Zeit im Bad, lasst es den Schlüssel zum Glück umdrehen und tut ihm den Gefallen und schließt auch ihr jetzt erstmal das Bad ab oder führt die Regel ein, dass an der geschlossenen Badtüre erstmal geklopft wird. Damit erspart ihr eurem Kind einige unangenehme Peinlichkeiten.
Zurückhaltung, bitte!
Ja, die Pubertät ist die Zeit, in der Jugendliche ihren Körper und ihre Sexualität entdecken. Hier ist es wichtig zu beachten, dass jedes Kind sich unterschiedlich schnell entwickelt. Haben die einen schon mit 13 ihr erstes Mal und sind generell schon sehr weit, brauchen andere eben etwas länger. Lass deinem Kind die notwendige Zeit, die es braucht. Aufklärungsbücher und Softpornos möchte niemand von seinen Eltern in die Hand gedrückt bekommen, das befeuert Schamgefühle nur noch mehr.
Fettnäpfchen, wohin man schaut
Eltern empfinden die plötzliche Ablehnung oft als Schlag ins Gesicht. Aber, so hart das klingt: Nehmt es nicht persönlich, gönnt eurem Kindern das Gefühl, euch „besiegt zu haben“. Nur so kann es später den für das Erwachsenwerden notwendigen Ablöseprozess vom Elternhaus bewältigen. Und der kann nur gelingen, wenn man sich als Jugendlicher nicht mehr vollständig mit dem Leben und Handeln der Eltern identifiziert. Es ist also völlig in Ordnung, wenn das Kinderzimmer bei Besuch von Freunden tabu ist und der Abschiedskuss vor der Schule plötzlich zum Drama wird. Schließlich gehört für Jugendliche auch Mut dazu, sich eine Privatsphäre zu erschaffen und die eigenen Eltern zu kritisieren. Pubertierende stellen die Beziehung zu euch auf eine Zerreißprobe und vertrauen darauf, dass sie es aushält. Für Mama und Papa heißt das: Zurücktreten, sich in Toleranz üben, Geduld beweisen – aber ohne sich zu verbiegen!
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