Mit dem Grundgesetz wurde 1949 verankert, dass Religion in der damaligen Bundesrepublik ein Pflichtfach wurde. Auch mit der Wiedervereinigung 1990 änderte sich das nicht, obwohl es schon damals in Ostdeutschland mehr konfessionslose Menschen gab. Mittlerweile werden Stimmen lauter, ob konfessionsgebundener Religionsunterricht noch zeitgemäß ist.
Religionsunterricht: Seit 1919 im Gesetz verankert
Seit hundert Jahren hat Religionsunterricht seinen Platz in der Schule. Die Sozialisten wollten "das Opium für das Volk", wie Karl Marx Religion nannte, ganz abschaffen, aber da wehrte sich die Zentrumspartei. Und so wurde 1919 in der Weimarer Verfassung festgelegt, dass Religion unterrichtet werden darf. Die Kirchen bestimmen bei dem bekenntnisgebundenen Unterricht den Lehrinhalt, und sie haben ein Mitspracherecht bei den Lehrern, die der Staat beschäftigt. Dreißig Jahre später wurde dies auch 1949 in der neugegründeten Bundesrepublik wieder im Grundgesetz verankert. Allerdings wurde auch festgelegt, dass Schule Ländersache ist. Bremen scherte aus, holte sich Unterstützung von Hamburg - sie wollten sich im Religionsunterricht nicht an eine Konfession binden, sondern einen übergreifenden Unterricht anbieten. So entstand die Bremer Klausel, die den Ländern Raum gibt, den Lehrplan anders zu gestalten.
Unterricht in einem verstärkt konfessionslosen Land
1949 wollte man garantieren, dass Kinder in einem christlichen Rahmen aufwachsen. Gleichzeitig gab man den Erziehungsberechtigten die Möglichkeit, ihren Nachwuchs vom Religionsunterricht abzumelden. Als die Verfassungsväter und Verfassungsmütter dies ins Grundgesetz schreiben ließen, gehörten 95% der Menschen in Deutschland der katholischen oder der evangelischen Kirche an. 2018 waren es nur noch 53,2 Prozent sowie 4,3 Millionen Muslime. 3,3 Millionen gehören anderen Konfessionen an. 37,8 Prozent leben ohne Konfession.
Die meisten konfessionslosen Menschen finden sich in den ostdeutschen Ländern. In der DDR hatte Religion einen schweren Stand und das spiegelt sich auch in der Entwicklung der Konfessionszugehörigkeit wider: 1946 waren um die 5 Prozent konfessionslos, 2011 waren es fast 75 Prozent. In diesen Bundesländern wird zwar konfessionsgebundener Unterricht angeboten, aber Ethikunterricht als Alternative läuft ihm den Rang ab. So sieht es in den einzelnen Bundesländern aus:
Baden-Württemberg: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Ethikunterricht bietet Alternative
Bayern: Religion ist Pflichtfach, Ethikunterricht bietet Alternative
Berlin: Ethikunterricht ist Pflichtfach, freiwillige Teilnahme am bekenntnisgebundenen Unterricht
Brandenburg: Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde ist Pflichtfach, freiwillige Teilnahme am bekenntnisgebundenen Unterricht
Bremen: Religion ist kein Pflichtfach, es gibt überwiegend einen konfessionsunabhängigen Unterricht
Hamburg: Religion ist Pflichtfach, es gibt überwiegend einen konfessionsunabhängigen Unterricht, sowie die Möglichkeit, Philosophie und islamische Religion zu lernen
Hessen: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Ethikunterricht bietet Alternative
Mecklenburg Vorpommern: Religion ist Pflichtfach, Philosophieunterricht bietet Alternative
Niedersachsen: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Werte-und-Normen-Unterricht bietet Alternative
Nordrhein-Westfalen: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Philosophie bietet Alternative
Rheinland-Pfalz: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Ethikunterricht bietet Alternative
Saarland: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Ethikunterricht bietet Alternative
Sachsen: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Ethikunterricht bietet Alternative
Sachsen-Anhalt: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Ethikunterricht bietet Alternative
Schleswig-Holstein: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Philosophie und konfessionsübergreifender Unterricht bieten eine Alternative
Thüringen: Konfessionsgebundene Religion ist Pflichtfach, Ethikunterricht bietet Alternative
In fast allen Ländern wird mittlerweile auch die Lehre des Islams als Religionsunterricht angeboten. Damit reagierte man auf die veränderten Gesellschaftsverhältnisse. Veränderte Verhältnisse dienen Kritikern aber auch als Argument für die Abschaffung des Religionsunterrichts.
Kritiker: Religionsunterricht ist nicht mehr zeitgemäß
Bei stetig wachsenden Kirchenaustritten und größer werdenden Kritik an den Kirchen bleibt es nicht aus, dass auch der staatlich geförderte Religionsunterricht ins Visier gerät. Kritiker befinden, dass Staat und Religion sich komplett trennen sollten. Mit dem konfessionsgebundenen Unterricht hätte die Kirche zu großen Einfluss. Werte und religiöse Motive könnten auch in anderen Unterrichtsfächern wie Ethik, Deutsch, Kunst oder Geschichte vermittelt werden. Dass Religion so ein wichtiges Fach sei, seine Note sogar über die Versetzung entscheiden kann, sehen sie als nicht zeitgemäß an.
Befürworter: Religion ist Herzensbildung
Religion sei zum einen ein Schlüssel zur Kultur und Geschichte, aber der Unterricht diene auch der Herzensbildung. Das Unterrichtsfach biete den Schülern Raum, sich selbst zu erkennen. Außerdem haben Religionen viel zur Ethik eines Staates beigetragen. Die Schüler haben in einem konfessionsgebundenen Unterricht mit Vertretern der Kirche mehr Möglichkeiten, die Religionen zu erforschen, sich an ihnen zu reiben und für sich zu entscheiden, ob sie sich darauf einlassen oder nicht. Ihnen würden Werte und Moral dadurch vorgelebt.
Es liegt natürlich auch immer an den Lehrern und Lehrerinnen selbst, wie sie ihr Fach repräsentieren. Lassen sie Kritik zu? Pflegen sie Toleranz gegenüber anderen Konfessionen, sprechen sie auch die heißen Eisen wie Missbrauch und Unterrepräsentation von Frauen an? Religion wird gern als "Laberfach" abgetan, in dem es schwierig wird, eine Fünf zu bekommen. Auf der anderen Seite bietet Religion für viele eine spirituelle Heimat, die in herausfordernden Zeiten Trost und Orientierung bietet. Solange Eltern und Kinder die Wahl haben und Alternativen bereitstehen, hat auch ein Religionsunterricht seine Daseinsberechtigung.
Quellen: Bildungsministerien der Länder, Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland
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