In diesen Tagen werden Tausende Schüler*innen überall in Deutschland eingeschult. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Das ist nicht nur für die Kinder aufregend, sondern auch für uns Eltern.
Ich gestehe es gleich am Anfang: Ich suche meine positive Grundeinstellung zum Thema Schule noch. Aber bevor ihr direkt wieder aufhört zu lesen: Schule ist für Kinder tatsächlich super. Ich erkläre euch mal, warum.
Zeit der Fremdbestimmung beginnt
Mir fällt es, auch einen Tag vor der Einschulung schwer zu akzeptieren, dass nun ein neues Zeitalter der Fremdbestimmung anbricht. Meine Älteste kommt in die Schule. Und machen wir uns nichts vor, bis hier hin war vieles Bullerbü.
Ob unsere Kinder in die Kita gingen oder ganz ohne Kindergarten die ersten Lebensjahre verbracht haben, dieser erste Lebensabschnitt brachte doch eine gewisse Flexibilität mit sich. Jetzt, mit Schulkind (also dann ab Samstag, aber ihr wisst schon) wird das anders. Mein Mann und ich wissen jetzt schon, wann wir die Urlaubstage für 2021 planen müssen, wäre nicht Corona dazwischen gekommen, vermutlich hätten wir schon einen Urlaub in dieser Zeit gebucht. Denn Schulferien stehen sehr lange im Voraus fest und die schönsten Urlaubshäuser sind schnell belegt.
Urlaub, Alltag, so wie wir wollen
Wir leben als Familie ein eher freies Modell, wir fuhren in den letzten Jahren oft mehrere Monate in die Ferne und ich arbeitete dann einfach von unterwegs. Es war ja auch immer so leicht: Kinder aus der Kita abmelden und los gehts. Überhaupt, hatte ein Kind keine Lust auf den Kitaalltag, blieben wir eben zuhause. Ich arbeitete dann nachts, ungesund für mich, aber gut für die Kinder. Wie wir alle dieses freie Leben genossen haben.
In unserer Kita gibt es ein recht offenes Konzept, die Kinder müssen bis 10:00 Uhr gebracht werden. Aber wir hatten, auch weil ich schon immer meine Arbeitszeiten um meine Kinder plante, nie Termindruck. Wir waren da, wenn wir da waren, morgendliches Drängeln war mir fünf Jahre lang fremd.
Manche Eltern hatten es nicht so gut
Das wird sich nun ändern, eine große Umstellung für uns. Das trifft andere Eltern sicher weniger hart, weil sie schon zu Kitabringzeiten der Arbeitszeit hinterherhechten mussten, weil alles wie ein gut geschmiertes Uhrwerk funktionieren musste. Ich fühle mich gerade ein wenig so, als werde ich mit dem Schuleintritt meiner Ältesten aus dem Paradies vertrieben.
Kind freut sich auf die Schule
Und gleichzeitig merke ich, wie gut es meinem Kind tut, dass nun endlich dieser neue Lebensabschnitt beginnt. Es lechzt nach neuem Input, nach neuen Erfahrungen und Wissen. Mein Kind freut sich unbändig auf die Schule, auf neue Freund*innen, Lehrer*innen und den Hort. Sie ging zur Einstimmung auf die Schulzeit schon eine Woche in die Ferienbetreuung. Gleich am ersten Tag war sie erbost, dass ich sie SO früh (nach immerhin fünf Stunden) schon abholen komme.
Sie freut sich aufs Lernen, endlich allein lesen, statt vorgelesen bekommen. Sie will rechnen lernen, weil sie versteht, dass das eine gewisse Freiheit bedeutet. Meine Erstgeborene will selbstständiger werden und was symbolisiert das besser als der Schuleintritt. Kein, wie in unserem Fall, monatelanges Eingewöhnen in die Kita. Stattdessen die Verabschiedung an der Tür und los gehts in den neuen Alltag.
Schule lässt Kinder wachsen
Schulkinder sind die Großen, die, die von den Kitakindern auf dem Spielplatz bewundert werden. Und nun gehört mein Kind dazu. Über Nacht ist sie innerlich bestimmt 20 Zentimeter gewachsen, ihre beiden Brüder kommen ihr plötzlich babyklein vor. Mit denen kann man natürlich noch spielen, aber nur manchmal. Das Interesse dient eigentlich den großen Mitschüler*innen.
Loslassen gehört dazu
Die letzten fast sieben Jahre waren wir Eltern der wichtigste Bezugspunkt unseres Kindes. Das werden wir natürlich bleiben. Und trotzdem spüre ich schon jetzt, wie sich der Radius vergrößert. Wie neue Menschen in unser Leben treten, die meine Tochter auf ihrem Weg begleiten werden.
Noch ist etwa Zeit, aber am Horizont sehe ich schon all die neuen Erfahrungen aufblitzen, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen. Neue Freundschaften, die halten oder zerbrechen, Herzschmerz und Tränen. Ungerechtigkeiten, gegen die ich mich Kind nicht beschützen kann, Situationen, in denen ihr Löwenmut gefordert wird. In den letzten Jahren war ich ganz nah dran an meinem Kind, jetzt muss ich sie ein Stück los lassen.
Genug Rüstzeug für die Schule?
Ich kann nur hoffen, dass wir ihr genug Rüstzeug für diesen neuen Weg mitgegeben haben. Auch wenn ich weiß, dass ich nicht immer alles wieder gut werde machen können, dass ein Pusten auf das aufgeschürfte Knie bald nicht mehr ausreichen wird. Mein Kind weiß, dass ich da bin. Dass sie sich immer fallen lassen kann und aufgefangen wird.
Die Schule wird unser Leben ganz schön durcheinander wirbeln (und ich kann nicht versprechen, dass ihr hier in den nächsten Jahren nicht auch ganz viel Negatives darüber lesen werdet). Aber ich weiß, auch aus meinem eigenen Erleben, dass diese Schulzeit auch geprägt ist von großen Freundschaften, jeder Menge Abenteuer und ganz viel Spaß.
Das wünsche ich meiner Tochter
Ich wünsche meiner Tochter, dass ihre Lehrer*innen immer mehr in ihr sehen als Noten, dass sie einen Ort findet, an dem sie wachsen darf. Das geht nicht ohne Rückschläge, das ist mir bewusst. Aber ich hoffe, dass sie immer Unterstützung erfährt und sich als Teil der Gemeinschaft erlebt. Dass sie sich geben Mobbing und Hänseleien stark macht und ihren eigenen Weg gehen kann, auch wenn der vielleicht gegen die Masse geht. Sich selbst treu bleiben und dabei wachsen, das wünsche ich meiner Erstklässlerin von ganzem Herzen.
Die Tränen (werden) rollen ...
Während ich diese Kolumne schreibe, habe ich einen dicken Klos im Hals und das ein oder andere Rührungstränchen läuft mir die Wange runter. Mein Baby ist plötzlich so groß! Wie kann das sein. Ich weiß jetzt schon, dass ich auf der Einschulungsfeier ein ähnliches Bild abgeben werde. Aber ist das nicht auch wunderschön? Wir lieben unsere Kinder so sehr, dass das Loslassen eben ein bittersüßer Moment ist.
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