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Wieso ich es richtig finde, bei der Einschulung keine Fotos zu machen

Keine Kinderfotos im Netz Einschulung

Einschulungsfeiern werden immer medialer. Gerade in diesem Jahr, wo vielerorts Zugangsbeschränkungen gelten und viele Familien gar nicht mit dem neuen Schulkind feiern dürfen, wird alles mit Smartphone und Videokamera begleitet. Woran die wenigsten denken, ist der Datenschutz und das Recht am eigenen Bild. Ist ja auch langweilig mitzudenken, was mit den Bildern vielleicht passieren könnte. Aber es ist so wichtig für die Zukunft unserer Kinder.

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First things first: Ich will niemandem verbieten auf Einschulungs- oder sonstigen Feiern Fotos vom eigenen Kind zu machen. Es sind besondere Momente, die eben festgehalten werden wollen. Allerdings muss dann klar sein, dass jede*r nur das eigene Kind fotografiert. Wenn kein Einverständnis zum Fotografieren oder Teilen vorliegt, dann geht das nicht. Dann gibt es eben kein Foto. Macht den Moment deswegen auch nicht weniger schön, im Gegenteil, vielleicht könnt ihr ihn ohne Smartphone oder Kamera im Gesicht sogar noch mehr genießen?

Zufällige Kinderfotos

Mir ist bewusst, dass ich mit dieser Meinung sehr allein dastehe, aber vielleicht lasst ihr euch ja auf meine Argumente ein und überlegt zukünftig, ob dieses oder jenes Foto jetzt wirklich gemacht und vor allem geteilt werden muss.

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In vielen Bundesländern waren gerade Einschulungen, die restlichen Länder ziehen in wenigen Tagen nach. Und klar ist, es wird wieder jede Menge Einschulungsfotos geben. Von der ganzen Klasse, vom eigenen Nachwuchs, vom Kindergewusel. Wer auf den Fotos drauf ist, ist oft Zufall, es wird eben in die Menge fotografiert für die Stimmung und den Eindruck.

Kinderfotos via sozialer Medien teilen

Anschließend werden die Fotos oft mit Freund*innen und der Verwandtschaft geteilt, oft auch in den sozialen Netzwerken. Ein toller Tag, das eigene Kind sah toll aus, wir Eltern sind berührt vom Moment, dass unsere Kleinen plötzlich schon so groß sind. Warum also nicht das erste Klassenfoto auf Facebook oder Instagram teilen, sind ja keine Namen drauf zu sehen. Und das Schulgebäude im Hintergrund, das kennt ja auch nicht jeder.

Kinderfotos können strafrechtliche Konsequenzen haben

Für euch ist das vielleicht sogar ok, dass alle Welt weiß, wo eure Kinder zur Schule gehen. Aber wisst ihr das auch für alle andere Familien, die an diesem Tag Einschulung feiern? "Einschulungsfotos betreffen nicht nur den Datenschutz", sagt Cyberkriminologe Dr. Thomas Gabriel Rüdiger von der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg . "Das kann, wenn man beispielhaft ohne Erlaubnis - strenggenommen von beiden Elternteile - das Bild eines anderen Kindes öffentlich postet - beispielsweise in einer Story bei Instagram-  bereits durchaus strafbar sein, da es eine Verletzung des Recht am eigenen Bildes des Kindes darstellen könnte." Und das gilt nicht nur für die sozialen Medien. Auch wenn ihr das Klassenfotos als Statusupdate bei WhatsApp hochladet, ist das nicht erlaubt, vor allem dann nicht, wenn die Kinder klar einzeln identifizierbar sind.

Was passiert mit den Kinderfotos?

Wo kein Richter, da kein Kläger, könnte man meinen. So ging auch die Schule meines Kindes bei der Einschulung vor, auf das beste hoffen und sich eigentlich nicht groß drum kümmern. Aber sollten wir es uns, auch zum Wohle unserer Kinder, wirklich so einfach machen? Wisst ihr, was Fremde mit den für euch harmlosen Schnappschüssen eurer oder anderer Kinder anfangen? Es mag sich nach Panikmache anhören, wenn wir von Pädophilenwebsites lesen, die normale Kinderfotos handeln. Aber es ist dennoch Realität.

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"Eigentlich", so der Cyberkriminologe, "müsste es so sein, dass wir unseren Kindern versprechen, dass wir keine Bilder von ihnen posten, bis sie selber wissen, was das bedeutet und sie sich dann nach einer Medienkompetenz-Schulung dafür entscheiden."

Kennen wir Eltern die Konsequenzen?

Das Problem dabei: Auch wir Eltern wissen doch oft nicht, was das einmalige Posten von Fotos für Konsequenzen hat. Ich beschäftige mich seit Jahren mit diesem Thema, möchte nicht, dass Fotos meiner Kinder irgendwo auftauchen. Und habe das lange nur aus einem Gefühl heraus entschieden. Inzwischen habe ich mich damit natürlich eingehend beschäftigt, aber ich stoße immer wieder auf sehr viel Unverständnis. Das sei doch alles nicht so schlimm, die Fotos doch ganz niedlich und das interessiert doch alles niemanden.

Einmal im Netz sind die Fotos dort für immer

Aber sind die Fotos einmal im Netz, sind sie für immer da. Niemand von uns kann kontrollieren, was damit geschieht, wer sie sieht und wie sie weiter verarbeitet werden. In den USA gibt es die Gesichtserkennungssoftware Clearview A.I., die Milliarden Fotos sammelt und so in Echtzeit jedes Individuum im Netz und in der realen Welt aufspüren kann. Verschiedene Behörden und Unternehmen in den USA setzen die App bereits ein. Es ist schlicht unklar, was in den nächsten Jahren damit möglich sein wird. Sollten wir unseren Kindern nicht nach intensiver Medienkompetenz-Schulung selber überlassen, was sie wie von sich preisgeben möchten?

Wieso gibt es keine Medienkompetenz-Schulungen?

"Wie kann es sein, dass es das nicht gibt?", fragt der Cyberkriminologe Dr. Thomas Gabriel Rüdiger." Auf der einen Seite haben Kinder am Ende der Grundschule fast durchgehend ein Smartphone und mittlerweile teilweise auch schon ab den ersten Klassen. Auf der anderen Seiten vermitteln wir überhaupt nicht früh genug, welche Risiken eines globalen digitalen Raumes auf die Kinder zukommen können und welche rechtlichen und moralischen Spielregeln hier gelten. Gerade die rechtlichen Regeln wissen ja teilweise nicht mal die Eltern. Wir müssten also ab der ersten Klasse mit diesen Schulungen starten, das würde dann ja auch in die Familien hineingetragen werden. Es ist doch schon so lange ein Problem, dass Medienkompetenz überhaupt nicht flächendeckend und verpflichtend vermittelt wird in Deutschland. Wir hätten damit eigentlich schon vor 20 Jahren anfangen müssen und können uns heute kaum einen Tag Verzug mehr leisten."

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Momentan sieht es so aus, als hätte die Privatsphäre der Kinder keine Priorität. Und das macht mir große Sorgen. Oft wird mein vehementes Auftreten gegen ungefragt gemachte Kinderfotos als nervig abgetan. Als sei ich die überbesorgte Mutter, die nun unbedingt eine Extrawurst möchte. Dabei geht es mir da nicht um mich, es geht um meine Kinder, die erst lernen müssen, in der vernetzten, digitalen Welt zurecht zu kommen. Es geht mir um Kinderschutz, der für mich bei Kinderfotos beginnt.

Schulen sind neben den Eltern der einzige Weg alle Kinder in Deutschland zu erreichen. Damit aber auch an Schulen Medienkompetenz vermittelt werden kann, müsste es auch die Bereitschaft, eventuell sogar die Pflicht bei Lehrer*innen geben, sich damit zu beschäftigen. Gleichzeitig müsste es für sie Unterstützung in Form von Schulungsangeboten und die Zeit im Unterricht geben. Das ist dringend notwendig, denn wir haben leider auch immer mehr Kinder und Jugendliche, die als Tatverdächtige bei digitalen Delikten, z.B. im Klassenchat, in Erscheinung treten. Wie kann es sein, dass wir als Gesellschaft zulassen, dass sich Minderjährige durch unnötige Strafanzeigen teilweise ihre berufliche Zukunft verbauen, ihnen gleichzeitig aber kaum jemand erklärt, wann sie sich eigentlich im Netz wie strafbar machen?
Cyberkriminologe Dr. Thomas Gabriel Rüdiger

"Wir beschäftigen uns nicht mit diesen Fragen und deswegen ist in der Gesamtgesellschaft da kein Rückhalt. Die Schulen müssten eigentlich verpflichtet werden, die Privatsphäre der Kinder zu schützen. Und wenn nur ein einziger nicht will, dass die Bilder nicht gepostet werden, dann muss es einen offiziellen Fotografen geben, der die Bilder entsprechend bearbeitet und darauf achtet", so Dr. Rüdiger.

Datenschutz für Eltern

In der Realität gibt es das nicht, da wird weiter fotografiert und es gibt einen großen Mut zur Lücke. Und auch viel Nichtwissen. Können wir verlangen, dass alle Eltern sich nun in den Datenschutz einlesen? Vielleicht schon. Aber wichtiger wäre es, wenn wir uns alle mehr damit beschäftigen.

Wenn Kinder ab der ersten Klasse unterrichtet werden, was das Posten von Bildern und persönlichen Daten bedeutet, wenn über Cybergrooming gesprochen wird, dann können auch die Kleinsten das in die Familien tragen. So wird das Thema von mehreren Seiten angegangen und unsere Kinder geben uns ganz neue Impulse. Ich bin davon überzeugt, dass viele Eltern viel aufmerksamer wären, wenn klarer gezeigt wird, was das Posten von Fotos und eigenen Daten für Folgen haben kann.

Ein Recht auf Vergessen

Potentiell alles, was unsere Kinder heute machen, landet im Netz. Jede Peinlichkeit, jeder kleine Fehltritt. Sie werden auch in dem Bereich gläsern. Schauen wir nicht alle in alte Fotoalben und entdecken da Bilder, die uns heute unsäglich peinlich sind? Während wir das Album einfach wieder zuklappen, sind die Fotos unserer Kinder für immer in den Untiefen des Internets bereit, wieder und wieder hervorgeholt zu werden.

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Ginge es nur um peinliche Bilder, damit könnten die meisten wohl noch leben. Aber wir alle wissen doch gar nicht, was die Zukunft bringt. Wollen wir da wirklich für unsere Kinder jetzt schon Entscheidungen treffen, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können?

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Andrea Zschocher

Meine Meinung

Ist es total anstrengend, immer darauf zu achten, dass man kein Kind fotografiert, das nicht zur Familie gehört? Ja.
Ist es nicht anstrengend, immer die zu sein, die sagt "meine Kinder bitte nicht fotografieren"? Ja. Das macht keinen Spaß.

Aber solange, wie ich nicht weiß, wie andere Eltern zum Thema Datenschutz und Posten von Kinderfotos stehen, bleibe ich weiter anstrengend. Mir geht es auch nicht darum, einzelne Eltern anzugreifen, die das für sich anders beschlossen haben. Wenn das die Entscheidung ist, dann ist es die. Aber ich weigere mich zu akzeptieren, dass eine individuelle Entscheidung für alle anderen Kinder gilt. Und darüber müssen wir noch viel mehr reden.

Andrea Zschocher

Bildquelle: getty images / iStock / Getty Images Plus/ Wpadington