Schon vor der Geburt bekommt das Baby im Bauch der Mutter viel von der Welt mit. Mehr als Sie sich vielleicht vorstellen können. Es reagiert auf seine Umgebung und nimmt sie Woche für Woche intensiver wahr. Wir zeigen Ihnen, was der Fötus fühlen, hören, riechen, schmecken und sehen kann.
Dass sich schon ein ungeborenes Baby akustische Reize merken kann und die Laute nach der Geburt wiedererkennt, haben Wissenschaftler in verschiedenen Studien nachweisen können. Vor allem die Forschungsergebnisse der späten 90er Jahre haben zu einem Boom von vorgeburtlichen Förderprogrammen geführt, besonders in den USA. Manche Eltern glauben, dass sie durch die Beschallung des Ungeborenen mit klassischer Musik seine Intelligenz steigern und ihm mit Taschenlampen-Signalen das Zählen beibringen können.
Müssen Sie also möglichst viel tun, um das Baby vor der Geburt zu fördern? Die Antwort ist eindeutig: Nein. Solange Sie sich gesund ernähren, sich an der frischen Luft bewegen und Stress vermeiden, tun Sie das Beste für Ihr Baby. Es hat seinen Grund, warum ein Baby in der geschützten Gebärmutter aufwächst: Es braucht nicht nur Wärme und die gemütliche dunkle Enge, sondern auch seine Ruhe und viel Schlaf. "Diese Isolation scheint für die frühe Entwicklung des Gehirns gerade richtig zu sein", sagt Hirnforscherin und Autorin Lise Eliot.
Und was kann das Ungeborene ab welchem Alter?
Motorik: Kaum zu glauben, aber fast drei Monate bevor eine Schwangere es überhaupt spürt, beginnt ihr Baby, sich zu bewegen. Die motorische Entwicklung beginnt in der 8. SSW. Erst zuckt das Baby nur. Dann, ab der 9. Woche, ist das Rückenmark bereits gut ausgebildet und beginnt zu funktionieren: Ab sofort steuert es die ersten Bewegungen von Kopf und Gliedmaßen. Auch den ersten Schluckauf kann das Baby nun haben. Ein paar Wochen später kommen die Atembewegungen hinzu - und der erste Gähner. Sobald die grundlegende Organentwicklung abgeschlossen ist, also etwa um die 10. SSW, hat das Baby seine embryonale Phase beendet. Der Fötus wächst ab jetzt wahnsinnig schnell und kann bald sogar seine winzigen Finger bewegen.
Fühlen: Wenn sich die Nervenzellen des Babys entwicklet haben, dann nimmt das Baby seine Umgebeung ganz bewusst war. Am empfindlichsten sind zunächst noch die Lippen. Schwimmt zufällig seine eigene Hand am Mund vorbei, dann beginnt es daran zu nuckeln. Seine Berührungsempfindlichkeit dehnt sich im Laufe der Schwangerschaft über den ganzen Körper aus. Schon bald kann es auch Temperaturunterschiede spüren.
Hören: In der 23. SSW ist das Gehör des Babys soweit ausgebildet, dass es Geräusche bewusst wahrnehmen kann. "Das Baby hört alle Töne, die von der Mutter ausgehen", sagt die Wissenschaftlerin Carolyn Granier-Deferre von der Universität Paris. Es lauscht der Stimme der Mutter, hört ihr Herz schlagen, den Magen rumoren und den rauschenden Blutkreislauf. Etwa von der 35. Woche an kann das ungeborene Baby Tonhöhen unterscheiden. "Das Baby fängt schon vor der Geburt an, die Rhythmen verschiedener Sprachen zu erkennen", sagt Psychologieprofessor Fred Genesse von der McGill-Universität in Kanada, Experte für den frühen Spracherwerb. Reden Sie also ruhig mit Ihrem Baby im Bauch. Das hilft dem Baby später dabei das Sprechen zu lernen.
Auch die anderen Sinne wie Schmecken oder Riechen bildet das Baby schon früh aus. Noch vor der Geburt kann es sogar verschiedene Geschmecker unterscheiden - je nachdem, was Sie gegessen haben.
Wie das Baby im Mutterleib schmeckt, riecht, sieht und denkt
Alle wichtigen Sinne des Babys sind schon im Mutterleib sehr weit entwickelt. Es sammelt jeden Tag neue Sinneseindrücke. Manche davon prägen das Kind sein Leben lang.
Schmecken:Die ersten Geschmackszellen bildet sich schon nach etwa acht Wochen aus. In der 15. SSW haben sich dann auch die erste Geschmacksknospen entwickelt. Etwa zu dieser Zeit beginnt das Baby auch damit, Fruchtwasser zu schlucken. "Das Fruchtwasser ist im Grunde eine Art Suppe aus verschiedenen Aromen und Geschmacksvarianten, die sich im Laufe des Tages ändern", sagt Benoit Schaal, Leiter des Europäischen Zentrums für Geschmackswissenschaft in Dijon. Und der Fötus kann das auch schmecken. Ab dem letzen Trimester ist der Geschmackssinn bereits so sensibel, dass das Baby auf Geschmacksveränderungen reagiert. Es nimmt also wahr, was Sie gegessen haben: süß oder würzig.
„Das Baby kann diese Veränderungen wahrnehmen und speichert seine Eindrücke zumindest so dauerhaft, dass sie das Verhalten des Kindes nach der Geburt beeinflussen.“ Mütter prägen also durch das, was sie essen, auch die Vorlieben ihrer Kinder. Sie können also schon vor der Geburt Ihres Babys, die Basis für eine lebenslang gesunde Ernährung zu legen.
Riechen: Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Baby von der 28. SSW an in der flüssigen Umgebung zwar riechen, die Eindrücke aber nicht von den geschmeckten unterscheiden kann. Kurz nach der Geburt ist der Geruchssinn aber bereits sehr wichtig für das Baby - unter anderem, damit es ganz schnell die Brustwarzen zum Stillen findet. Denn die erkennt es am Geruch der Muttermilch. Sehen: In der 16. SSW kann ein Baby erstmals seine Augen bewegen, ab der 26. SSW öffnet es sie zum ersten Mal. Inwieweit ein Baby aber schon vor der Geburt wirklich sehen kann, ist noch nicht vollständig erforscht. Untersuchungen haben zumindest gezeigt, dass Föten reagieren, wenn man eine Taschenlampe direkt auf den Bauch richtet. Eine bestimmte Lichtstimulation findet also statt. Das Sehvermögen ist erst im letzten Schwangerschaftsdrittel voll funktionsfähig. Es entwicklet sich aber auc noch nach der Geburt entscheidend weiter. So kann das Baby erst mit etwa zwei Monaten Farben wahrnehemn.
Gefühle: Wissenschaftler haben den Herzschlag eines Babys vor der Geburt gemessen, während ihre schwangere Mutter intensiv über ihre Gefühle mit ihnen redete - über starke Gefühle, auch Sorgen und Ängste. Das Baby reagierte meist mit heftigem Herzschlag. Man weiß heute noch nicht genau wie, aber offenbar bekommt ein Baby schon vor der Geburt viel von den Gefühlen seiner Mutter mit.
Denken: Bei der Geburt ist das Baby mit dem kompletten Satz Gehirnzellen ausgestattet. Der größte Teil entsteht bereits in der ersten Hälfte der Schwangerschaft - bis zu eine 0,5 Million Zellen pro Minute. Aber was wichtiger ist als die pure Menge: die Verknüpfungen der Hirnzellen, also die Synapsen. Sie bilden sich von der fünften Woche an. Und das bis lange nach der Geburt - ebenfalls in einem Wahnsinnstempo. Neugeborene Babys sind unglaublich lernfähig und beginnen schnell, ihr Gehirn zu strukturieren. Sie können sich zum Beispiel an Melodien erinnern, die sie regelmäßig während der Schwangerschaft gehört haben - besonders in den letzten Wochen vor der Geburt. Das zeigt, dass das Kind schon im Mutterleib lernfähig ist.
Direkt nach der Geburt: Mit der Geburt ändert sich für das Baby plötzlich alles. An der Luft reagiert zum Beispiel nur noch das Trommelfell auf Töne statt wie zuvor eine ganze Reihe von Hautrezeptoren. Das neugeborene Baby hört Stimmen, die es nicht kennt. Der Tastsinn ist auf einmal ganz direkt, auch das Sehen und das Riechen. Das Gefühl für das eigenen Gewicht verändert sich völlig, es spürt die Schwerkraft. Ungeheuer viele Eindrücke stürmen auf das kleine Wesen ein. Viel zu verarbeiten für so ein Baby. Die bekannte Stimme der Mutter und ihr Geruch sind ihm eine wichtige Hilfe, um sich zu orientieren und sich an das Leben „draußen“ gewöhnen zu können.
Bildquelle: iStock