Fehlgeburten sind immer noch ein Tabuthema, obwohl es doch ALLE von uns angeht. Und somit auch die Regelungen, die Betroffene derzeit benachteiligen. So steht Müttern, die ihr Kind vorzeitig verloren haben, kein Mutterschutz zu. Der Fakt, dass das mehr als jede dritte Schwangere betrifft, zeigt deutlich: Wenn wir nicht selbst eine Fehlgeburt erlitten haben, dann garantiert jemand, der uns nahesteht. Unterstützt deshalb mit uns die Petition von Natascha Sagorski, die einen gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten fordert.
Eine Fehlgeburt ist eines der schlimmsten Dinge, die man durchmachen kann. Warum ist es dann so, dass Müttern kein Schutz in dieser Zeit zusteht? Wie Frauen, die nach der Geburt ihr gesundes Kind in den Armen halten dürfen, sind diejenigen, die vorzeitig ihr Kind verlieren, auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Genauso oder sogar noch mehr. Denn so schmerzlich und individuell die Erfahrungen mit Fehlgeburten sind, haben sie eines gemeinsam: Ihnen wird derzeit gesellschaftlich und rechtlich keine Bedeutung beigemessen. Die Mütter, Väter und Familien, die Fehlgeburten erlebt haben, fühlen sich oft isoliert, unsichtbar und allein. Die Realität sieht aber ganz anders aus: Laut dem Berufsverband der Frauenärzte erleidet jede dritte Schwangere vor der 12. SSW eine Fehlgeburt. Und auch danach, besonders bis zur 20. SSW, sind leider noch viele Frauen betroffen.
Schutz für alle Mütter
Beim Mutterschutz geht es neben dem wichtigen Kündigungsschutz auch um das Heilen, das körperliche und seelische Ankommen in der neuen Realität. Und sind Frauen, die eine Fehlgeburt erlebt haben, etwa keine Mütter? Haben sie keine Schwangerschaft erlebt, müssen Körper und Seele nicht heilen? Ein rechtlicher Schutz in dieser verletzbaren Zeit sollte jeder Frau zustehen – egal, ob sie ihr Kind einen, sechs oder neun Monate unter dem Herzen trug. Und auch ihr Verlust sollte als solcher anerkannt und nicht als 'Krankheit' abgetan werden.
Petition für gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten
Kind verloren und kurz darauf wieder zur Arbeit? Das muss man nicht selber durchlebt haben, um zu wissen, wie unwürdig diese Regelung ist. Nach einer Fehlgeburt könnt ihr euch krankschreiben lassen, um zu heilen, das Geschehene zu verarbeiten und das Organisatorische zu klären. Aber allein der Zwang, um die "Auszeit" bitten zu müssen und der Einschätzung der behandelnden Ärzte/Ärztinnen ausgesetzt zu sein, ist mit Recht eine große Belastung für viele Betroffene. Dazu kommt, dass während einer Krankschreibung auch kein Kündigungsschutz gilt.
Aktueller Stand zum Gesetzesentwurf zum gestaffelten Mutterschutz
Die Initiative für einen gestaffelten Mutterschutz bei Fehl- und Totgeburten steht kurz vor dem Abschluss. Die Gesetzesvorlage ist zu 99 Prozent fertiggestellt und die Ampel-Koalition steht kurz vor einer Einigung. Das Vorhaben genießt breite Unterstützung von Gesellschaft, Krankenkassen und Unternehmen, wobei nur geringe Kosten erwartet werden. Alle Fraktionen sind sich einig über die Notwendigkeit dieser Regelung.
Eine schnelle Verabschiedung ist aus mehreren Gründen dringend: Die aktuelle Legislaturperiode läuft bald aus, die AFD plant bereits das Thema für ihren Wahlkampf zu nutzen, und täglich sind Frauen von der fehlenden Regelung betroffen. Der Petitionsausschuss hat dem Anliegen bereits sein höchstes Votum gegeben. Das Gesetz ist praktisch fertig und könnte noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden – dies würde nicht nur betroffenen Frauen helfen, sondern auch verhindern, dass die AFD das Thema für ihre Zwecke instrumentalisiert.
Helft mit und unterschreibt den offenen Brief an alle Fraktions- und Parteivorsitzende:
Einfach weitermachen?
Egal, ob wir selbst betroffen sind oder nicht: Die Angst, eine Fehlgeburt zu erleiden, steckt wohl in jeder von uns. Und der Gedanke, danach weitermachen zu müssen, wie bisher, der ist unerträglich. Eine Krankschreibung, selbst wenn sie mehrere Wochen dauert, wird dem auf keinen Fall gerecht. Wichtig ist, dass Frauen mit der Regelung – sollte die Petition erfolgreich sein – dennoch die Wahl haben, ob sie in Mutterschutz gehen und damit ihre Fehlgeburt ihrem Arbeitgeber mitteilen wollen oder nicht. Diese Selbstbestimmung ist besonders wichtig.
Welche Regelung gibt es derzeit?
Frauen, die ihr Kind vor der 24. SSW verlieren, steht derzeit kein Mutterschutz zu. Für sie endet der gesetzliche Mutterschutz also zeitgleich mit dem schmerzlichen Ende der Schwangerschaft. Immerhin gilt für alle, die nach der 12. SSW eine Fehlgeburt erleiden, ein Kündigungsschutz von vier Monaten. Statistisch gesehen betrifft das aber nur die Minderheit an Betroffenen, denn die meisten Fehlgeburten ereignen sich im ersten Trimester. Die neue Bundesregierung hat vor, die Mutterschutz-Grenze auf die 20. SSW vorzuziehen. Aber auch hier gilt der Kritikpunkt, dass eine Schwangerschaft körperlich und seelisch nicht weniger bedeutend, weniger wertvoll oder ihr Verlust weniger schmerzhaft ist, wenn sie vor der 20. SSW passiert. Erst ab der 24. SSW oder wenn das Gewicht des Kindes 500 g überschreitet, spricht man von einer Totgeburt, die rechtlich als Entbindung gilt. Hier greift dann das Mutterschutzgesetz. Alles zur derzeitigen Rechtslage nachlesen könnt ihr hier beim Bundestag und im kompletten Mutterschutzgesetz der Bundesregierung.
Das Gefühl des Verlierens und des Verlorenseins
Eine Fehlgeburt ist ein tragisches, wenn nicht gar traumatisierendes Erlebnis. Gerade bei einer Fehlgeburt in den ersten zwölf Wochen, wenn vielleicht noch gar niemand von der Schwangerschaft wusste, leiden viele Mütter still und leise und vor allem alleine. Man hat etwas verloren, dass noch gar nicht richtig greifbar war, als würde einem ein Geschenk aus den Händen gerissen, bevor man es auspacken konnte – aber man wusste bereits, dass unter der Verpackung etwas steckt, über das man sich übermächtig freuen würde. Alle diese Gedanken brauchen Raum und Zeit, um verarbeitet zu werden. Dazu kommt der körperliche Schmerz einer stillen kleinen Geburt oder einer Ausschabung. Deshalb finde ich die Petition von Natascha Sagorski so wichtig für alle Mamas da draußen, die einen solchen schmerzhaften Verlust erleiden mussten.
Unser Buchtipp zum Thema: 'Jede 3. Frau' von Natascha Sagorski
Um euch auf ganz persönlicher Ebene mit dem Thema zu befassen, holt euch 'Jede 3. Frau: 25 Frauen erzählen von ihren Schwangerschaften ohne Happy End – und wie sie danach trotzdem ihren Weg gefunden haben' von Natascha Sagorski. Alle Geschichten und Erfahrungen aus der Sammlung sind individuell, berührend und stärkend. Und sie bringen ein Thema, das uns immer noch als "weit weg" und abstrakt verkauft wird, wunderbar nah. Diese Nähe brauchen nicht nur die von uns, die das eigene Erlebte verarbeiten müssen, sondern auch die, die Angst vor einer Fehlgeburt und dem "Danach" haben.
Sie kommt in endlosen Formen, aber betrifft uns alle: Trauer. Hilfe bei der Bewältigung findet ihr hier: