In Deutschland kommt beinahe jedes dritte Baby per Kaiserschnitt auf die Welt. Viele Frauen werden danach wieder schwanger und fragen sich, ob auch das nächste Kind per Sectio entbunden werden muss oder ob eine vaginale Geburt möglich ist. Wann eine natürliche Geburt nach Kaiserschnitt versucht werden kann und in welchen Fällen Ärzte davon abraten.
- 1.Kann man nach einem Kaiserschnitt eine natürliche Geburt haben?
- 2.Wann sollte/darf ich nach einem Kaiserschnitt keine vaginale Geburt versuchen?
- 3.Was muss bei einer natürlichen Geburt nach Kaiserschnitt besonders beachtet werden?
- 4.Ist eine natürliche Geburt auch möglich, wenn ich zuvor einen Kaiserschnitt wegen Geburtsstillstand hatte?
- 5.Wieso bekomme ich keine Einleitung, wenn ich zuvor per Kaiserschnitt entbunden habe?
- 6.Natürliche Geburt nach Kaiserschnitt: Das sagt die Statistik
Kann man nach einem Kaiserschnitt eine natürliche Geburt haben?
Du hast dein letztes Kind per Kaiserschnitt (Sectio) entbunden und bist nun wieder schwanger? Für viele Frauen ist es wichtig, ihre Geburt selbstbestimmt zu planen und bewusst entscheiden zu können, ob sie wieder per Kaiserschnitt (Re-Sectio) entbinden wollen oder eine VBAC ("vaginal birth after caesarean") versuchen.
Die alte Regel "Einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt" ist längst überholt: Wenn Mama und Baby gesund sind, die Wehen um den ET einsetzen, das Gewebe der Kaiserschnittnarbe fest und die Plazenta in einem guten Zustand ist, ist es durchaus möglich, eine vaginale Geburt nach einem Kaiserschnitt zumindest zu probieren. Das Risiko, dass das Gewebe der Narbe reißt, ist aufgrund des modernen waagrechten Einschnitts nur 0,6 % höher als wenn eine Spontangeburt vorangegangen ist.
Ultraschalluntersuchungen bei deiner Gynäkologin können einen Hinweis darauf geben, ob deine Gebärmutter bzw. die Kaiserschnittnarbe belastbar genug sind, eine natürliche Geburt unbeschadet zu überstehen. Laut einer Studie ist der vaginale Ultraschall dafür meist schon ab ca. der 19. - 22. SSW aussagekräftig.
Wann sollte/darf ich nach einem Kaiserschnitt keine vaginale Geburt versuchen?
Es gibt aber dennoch einige Faktoren, die gegen eine natürliche Geburt nach Kaiserschnitt sprechen:
- Du hast zuvor bereits zweimal per Sectio entbunden. Dann steigt die Gefahr von Komplikationen deutlich an. In diesem Fall solltest du dich vor einer Spontangeburt sehr gut ärztlich beraten lassen und die Vorteile gegen die Risiken gründlich abwägen.
- Das Baby ist sehr groß und schwer. Wenn zu befürchten ist, dass das Kind nur schwer durchs Becken passt, wird man dir von einer VBAC-Geburt wahrscheinlich abraten.
- In deiner Schwangerschaft treten Komplikationen auf. Je nachdem, welcher Art diese sind, kann eine natürliche Geburt riskant sein.
- Der letzte Kaiserschnitt ist noch kein Jahr her. Dann ist die Narbe möglicherweise noch nicht gut verheilt.
- Du leidest an Adipositas oder Schwangerschaftsdiabetes. Dann wird man dir ggf. zu einer weiteren Sektio raten.
- Liegt das Baby in Beckenendlage, empfehlen die meisten Ärzte, von einer VBAC abzusehen.
- Erwartest du Zwillinge, sollte eine VBAC ebenfalls gut überlegt werden.
Diese Situationen schließen eine natürliche Geburt nach Kaiserschnitt nicht grundlegend aus, bergen aber ggf. gewisse Risiken (z. B. erhöhte Wahrscheinlichkeit von Infektionen, hohem Blutverlust oder Gebärmutterriss). Lass dich daher in diesen Fällen gut von Ärztinnen oder Ärzten deines Vertrauens beraten und hol dir evtl. eine Zweit- oder Drittmeinung ein.
Eine "normale" Geburt nach Kaiserschnitt gilt als ausgeschlossen, wenn ...
- du zuvor schon mehr als drei Kaiserschnitte hattest. Spätestens dann wird ärztlich einheitlich abgeraten.
- deine Kaiserschnittnarbe nicht horizontal, sondern im T-Schnitt bzw. längs verläuft. Diese Schnittführung ist manchmal notwendig, z. B. bei sehr frühen Frühgeburten, Lageanomalien oder zu wenig Fruchtwasser.
- an deiner Gebärmutter größere operative Eingriffe vorgenommen wurden.
- deine Kaiserschnittnarbe schon mal gerissen ist.
- eine Plazenta praevia vorliegt. Befindet sich der Mutterkuchen direkt vor dem Muttermund, muss in der Regel eine Re-Sectio erfolgen.
- der Mutterkuchen mit der Gebärmutterwand verwachsen ist, also eine Plazenta accreta diagnostiziert wurde.
- tiefsitzende Myome den Geburtskanal behindern.
Was muss bei einer natürlichen Geburt nach Kaiserschnitt besonders beachtet werden?
Wenn Mama und Baby gesund sind, hat eine vaginale Geburt nach Sectio nur eine geringe Komplikationsrate und du kannst diesen Wunsch in deinen Geburtsplan aufnehmen.
Sei aber bitte nicht zu enttäuscht, falls doch ein Kaiserschnitt gemacht werden muss. Eine Geburt lässt sich nun mal einfach nicht bis ins Detail planen und manchmal ist es besser, ärztlich zu intervenieren. Eine Bauchgeburt ist absolut gleichwertig und das Wichtigste ist, dass es dir und deinem Baby gut geht!
Auch bei einer VBAC kannst du übrigens Schmerzhemmer wie eine PDA oder Lachgas bekommen, da bestehen keine Einschränkungen. Ob es nötig ist, die Geburt durch ein Dauer-CTG überwachen zu lassen, wird kontrovers diskutiert.
Wichtig: Wenn du dir eine VBAC-Geburt wünschst, sollte diese in einer Geburtsklinik stattfinden, die Notfallkaiserschnitte durchführen kann und bestenfalls auch über eine Neonatologie verfügt. Hausgeburten und Entbindungen im Geburtshaus werden im Allgemeinen nicht empfohlen, sind aber auch nicht ganz ausgeschlossen, wenn erst ein Kaiserschnitt vorausging, noch nicht mehrere.
Wichtig bei der Entscheidung für oder gegen eine VBAC ist es, Geburtshelfer*innen an der Seite zu haben, denen du vertraust, die dich in deiner individuellen Situation gut beraten können und in deinem Entschluss hinter dir stehen. So unterstützt kannst du völlig angstfrei in die Geburt gehen. Was dir noch Kraft für eine selbstbestimmte Geburt gibt, zeigt unser Video:
Ist eine natürliche Geburt auch möglich, wenn ich zuvor einen Kaiserschnitt wegen Geburtsstillstand hatte?
Wichtig für die Entscheidung, ob du nach einem Kaiserschnitt eine vaginale Geburt versuchen könntest, ist es immer, den Grund für die vorige Sectio zu berücksichtigen. Bei "einmaligen" Ursachen für einen Kaiserschnitt, z. B. weil sich dein Baby in Beckenendlage befand, stehen die Chancen eines vaginalen Geburtsversuchs gut. Denn die Ausgangssituation kann ja jetzt ganz anders sein.
War hingegen ein Notkaiserschnitt nötig, etwa aufgrund eines Geburtsstillstands, empfiehlt sich tendenziell eine Re-Sectio, da z. B. eine Neigung zu Wehenschwäche oder anderen Geburtskomplikationen möglicherweise immer noch besteht. Komplett ausgeschlossen ist eine VBAC-Geburt aber auch in diesem Fall nicht.
Tipp: Besorge für dein Kreißsaalteam den OP-Bericht der letzten Sectio, falls du nicht wieder in der gleichen Klinik entbindest. So verfügen die Geburtshelfer*innen über wichtige Informationen für deine individuelle Situation.
Wieso bekomme ich keine Einleitung, wenn ich zuvor per Kaiserschnitt entbunden habe?
Wenn du bereits ein Kind per Kaiserschnitt entbunden hast, birgt eine Geburtseinleitung ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für eine Uterusruptur (Gebärmutterriss). Dieser kann für Mama und Kind lebensgefährlich werden. Das Baby muss in einigen Fällen per Notkaiserschnitt geholt und die Gebärmutter operiert werden. Manchmal ist in der Folge sogar eine Entfernung der Gebärmutter nötig. Daher werden Geburtseinleitungen nach Kaiserschnitt nur dann vorgenommen, wenn sie medizinisch unumgänglich sind.
Natürliche Geburt nach Kaiserschnitt: Das sagt die Statistik
In Deutschland bekommen rund 66 Prozent der Frauen, die zuvor per Sectio entbunden haben, ihr nächstes Kind auch wieder per Kaiserschnitt. Medizinisch notwendig wäre das allerdings nicht in allen Fällen.
Bei denjenigen Frauen, die eine vaginale Geburt nach Kaiserschnitt versuchen, liegt die "Erfolgsquote" ganz grob bei 60-85 Prozent. Besonders günstig ist die Prognose, wenn du vor der Sectio schon ein Kind auf natürlichem Wege zur Welt gebracht hast. Auch jüngere Frauen haben statistisch gesehen bessere "Chancen" auf eine erfolgreiche VBAC.
Die Möglichkeit, dass der Versuch der vaginalen Geburt beendet werden und doch ein Kaiserschnitt gemacht werden muss, wird durch verschiedene Faktoren wahrscheinlicher, dazu gehören z. B. Bluthochdruck oder Übergewicht der Mutter.
Du möchtest dich noch eingehender über das Thema "Natürliche Geburt nach Kaiserschnitt" informieren? Dann können wir dir das Buch von Dr. med. Ute Taschner empfehlen:
Wir recherchieren mit großer Sorgfalt und nutzen nur vertrauenswürdige Quellen. Die Ratschläge und Informationen in diesem Artikel ersetzen keine medizinische Betreuung durch entsprechendes Fachpersonal. Bitte wendet euch bei gesundheitlichen Fragen und Beschwerden an eure Ärztinnen, Hebammen oder Apotheker*innen, damit sie euch individuell weiterhelfen können.
Quellen: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V., MSD Manuals