Bei Kegelübungen übt ihr nicht etwa, alle Neune auf der Kegelbahn zu treffen. Stattdessen trainiert ihr damit den Beckenboden. Das ist nur was für Frauen nach der Geburt? Von wegen! Kegelübungen sind für alle sinnvoll, und zwar für Frauen UND Männer. Wir sagen euch, wie ihr die unsichtbaren Kegelübungen ausführen könnt, was sie bringen und welche Hilfsmittel es dafür gibt.
- 1.Was sind Kegelübungen?
- 2.So macht ihr die Kegelübungen
- 3.Was bringen Kegelübungen?
- 4.Wie oft sollte ich Kegelübungen machen?
- 5.Das solltet ihr bei den Kegelübungen beachten
- 6.Kegelübungen für Frauen
- 6.1.Kegelübungen in der Schwangerschaft
- 6.2.Kegelübungen im Wochenbett
- 6.3.Kegelübungen mit Kugeln
- 6.4.Kegelübungen mit Apps
- 7.Kegelübungen für Männer
- 7.1.Kegelübungen mit Apps
Was sind Kegelübungen?
Der amerikanische Frauenarzt Arnold H. Kegel entwickelte die nach ihm benannten Kegelübungen in den 1940er Jahren. Mit den Beckenbodenübungen konnte er seinen Patientinnen helfen, ihre Blasen nach der Geburt wieder zu stärken. Physiotherapeutin und Beckenbodentrainerin Laura Schönle: "Ein zu straffer Beckenboden kann genau so zu Problemen führen wie ein zu schwacher. Deswegen sind Kegelübungen, bei denen der Beckenboden ebenso angespannt wie entspannt wird, sehr sinnvoll."
Dabei sind sind die Übungen komplett unsichtbar – ihr könnt sie immer und überall machen, keiner wird es bemerken und ihr braucht dazu keinerlei Hilfsmittel. Kegelübungen sind im Liegen, Sitzen und Stehen möglich. Im Liegen fallen sie den meisten anfangs am leichtesten.
So macht ihr die Kegelübungen
Der Beckenboden besteht aus langen und kurzen Muskelfasern. Die langen braucht ihr zum Beispiel, um Harndrang zu unterdrücken. Sie können nur langsam angespannt werden, haben dafür aber viel Kondition. Die kurzen Muskelfasern ziehen sich beispielsweise beim Niesen oder Husten reflexartig zusammen. Sie können nur kurz, dafür aber schnell angespannt werden.
Mit der 1. Kegelübung trainiert ihr die langen Muskelfasern:
Gleichmäßig ein- und ausatmen. Beim Ausatmen Beckenboden anspannen und die Spannung halten. Startet mit 3 bis 5 Sekunden, steigert euch langsam auf 10 Sekunden. Dann einatmen und die Beckenbodenmuskeln genauso lange entspannen wie ihr angespannt habt. Fünf- bis zehnmal wiederholen.
Mit der 2. Kegelübung trainiert ihr die kurzen Muskelfasern:
Die Muskulatur mehrmals kurz und kräftig anspannen. Startet mit fünfmal, steigert euch auf bis zu zehnmal. Danach entspannen. Fünf bis zehn Wiederholungen.
Was bringen Kegelübungen?
Kegelübungen sorgen für einen starken und gleichzeitig entspannten Beckenboden – was übrigens bei Frauen und Männern gleich wichtig ist. Sie sind sowohl bei akuten Beschwerden als auch vorsorglich sinnvoll. Jede*r sollte also Kegelübungen machen! Besonders hilfreich sind Kegelübungen
- bei Inkontinenz
- in der Schwangerschaft
- nach einer Geburt
- bei zunehmendem Alter
- bei Übergewicht
- wenn ihr eure Körperhaltung verbessern möchtet
- gegen Rückenschmerzen
- wenn ihr viel Sport treibt, der den Beckenboden strapaziert (z. B. Joggen, Tennis)
- wenn ihr mehr Spaß am Sex haben wollt (durch einen starken Beckenboden wird die Empfindsamkeit der Genitalien erhöht)
- gegen Prolaps (z. B. Hämorrhoiden)
- gegen Potenzprobleme
- gegen vorzeitigen Samenerguss
- bei einer Prostata-Operation
Wie oft sollte ich Kegelübungen machen?
Am effektivsten sind Kegelübungen, wenn ihr sie täglich absolviert. Wenn ihr schon Übung habt, funktioniert das am besten, wenn ihr sie an eine alltägliche Tätigkeit bindet, sie zum Beispiel immer während des Zähneputzens oder Wartens auf den Bus macht. Es dauert allerdings oft einige Wochen, bis sich erste Resultate zeigen. Und wie mit jedem Workout ist es auch hier: Wenn ihr aufhört, zu trainieren, lässt auch die Muskelkraft wieder nach.
Das solltet ihr bei den Kegelübungen beachten
- nicht mit voller Blase trainieren
- beim Anspannen ausatmen
- beim Entspannen einatmen
- nur den Beckenboden anspannen – Bauch-, Rücken-, Oberschenkel- und Gesäßmuskeln locker lassen
Kegelübungen für Frauen
Der Beckenboden besteht aus drei Schichten, Bändern und Bindegewebe, ist aber nur ca. 4 cm dick und von außen nicht sichtbar. Deswegen ist es auch nicht ganz leicht, ihn zu lokalisieren. Laura Schönle: "Wenn ihr Probleme habt, euren Beckenboden zu spüren, zögert nicht, euch therapeutische Hilfe zu suchen. Oft werden nämlich die falschen Muskeln, z. B. Gesäß- oder Bauchmuskeln angespannt, was dann leider nicht zielführend ist. Der*die Physiotherapeut*in kann euch hier helfen."
Und: "Auch wenn ihr bereits Probleme mit Inkontinenz habt: Scheut euch nicht, den*die Physiotherapeut*in anzusprechen und euch Hilfe zu holen", so Laura Schönle. "Es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen."
Um den Beckenboden zu spüren, gibt es auch einen Trick: Unterbrecht den Strahl kurz, wenn ihr auf dem Klo sitzt und Pipi macht. Die Muskeln, die ihr dazu braucht, sind die Beckenbodenmuskeln. Aber Achtung: Diese Übung dient nur dazu, den Beckenboden zu finden, nicht für regelmäßiges Training. Sonst könnt ihr Probleme mit der Blase bekommen.
Als Alternative könnt ihr euch auch vorstellen, dass ihr mit den Schamlippen eine Blume pflückt. Haltet die Blume gut fest und zieht sie nach oben. So wird der Beckenboden langsam angespannt.
Frauen können die beiden Kegelübungen mit den sogenannten "Lift-Übungen" visualisieren, damit fallen sie manchmal leichter.
1. Liftübung:
Beckenbodenmuskeln anspannen, zuerst leicht, dann stärker. Während du die Muskeln langsam nach oben ziehst, stell dir vor, dass du mit einem Lift ins oberste Stockwerk fährst. Währenddessen langsam ausatmen. Wenn du oben bist, Beckenboden genau so lange entspannen und langsam einatmen.
2. Liftübung:
Wieder mit dem Lift nach oben fahren, dieses Mal aber in jeder Etage anhalten. Währenddessen ausatmen. Mit dem Lift nach oben fahren, bis du die Muskeln nicht mehr stärker anspannen kannst. Dann langsam wieder nach unten fahren und dabei genau so langsam einatmen.
3. Liftübung:
Wie in der 2. Liftübung so hoch wie möglich fahren. Wenn du ganz oben angekommen bist, die größtmögliche Muskelanspannung für ein paar Sekunden halten. Dann langsam wieder nach unten fahren und dabei einatmen.
Kegelübungen in der Schwangerschaft
Physiotherapeutin Laura Schönle: "Bitte macht Kegelübungen in der Schwangerschaft höchstens stark abgeschwächt. Denn während dieser Zeit ist es mindestens genauso wichtig, den Beckenboden entspannen zu können wie ihn anspannen zu können. Ein entspannter Beckenboden ist unglaublich wichtig für die Geburt." Die Schwangerschaftshormone sorgen dafür, dass der Beckenboden weicher und durchlässiger wird. Wenn er während dieser Zeit zu stark trainiert werde, wirke man dieser Entspannung entgegen, so Laura Schönle. Weich machende Methoden wie Dammmassagen seien die bessere Wahl, so die Beckenbodentrainerin.
Kegelübungen im Wochenbett
Fürs Wochenbett eignet sich die sanfte erste Kegelübung wunderbar. Allerdings solltet ihr mit eurer Hebamme besprechen, wann ihr mit dem Training des Beckenbodens starten dürft. Wenn ihr noch Schmerzen habt oder der Beckenboden noch stark geschwächt ist, sind Kegelübungen noch nicht das Richtige.
Kegelübungen mit Kugeln
Liebeskugeln sind ein gutes Hilfsmittel, um den Beckenboden zu stärken. Der Vorteil: Wenn ihr Kugeln, Konen etc. verwendet, werden alle drei Schichten des Beckenbodens trainiert. Ohne Hilfsmittel nur die äußeren zwei. Zu Beginn solltet ihr die Kugeln einfach während normaler Alltagstätigkeiten wie Spazieren gehen oder Hausarbeit tragen. Wenn ihr euch daran gewöhnt habt, könnt ihr eure Kegelübungen auch mit den Kugeln machen. Laura Schönle: "Meine Patientinnen berichten allerdings über sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Kugeln. Manche empfinden sie als sehr angenehm, andere eher als störend. Wenn ihr ein unangenehmes Gefühl habt, lasst die Kugeln lieber weg. Der Beckenboden wird während des Tragens dauerhaft angespannt, was wiederum zu Verspannungen führen kann. Benutzt diese Hilfsmittel nur, wenn ihr euch wirklich wohl damit fühlt – und nicht länger als 15 Minuten am Stück."
Kegelübungen mit Apps
Damit ihr eure Kegelübungen nicht vergesst und korrekt ausführt, sind verschiedene Apps auf dem Markt, die ihr auf euer Smartphone laden könnt. Dabei gibt es sowohl ganz einfache Apps, die euch an die Übungen erinnern und durchleiten (z. B. Kegel Trainer oder GynZone). Weitaus raffiniertere Varianten hingegen sind Apps, die mit Biofeedback arbeiten. Dabei führt ihr ein Gadget in die Vagina ein und verbindet es via Bluetooth mit eurem Smartphone. Die zugehörige App visualisiert euch, ob ihr die richtigen Muskeln anspannt, erstellt ein individuell für eure Muskelkraft passendes Training und leitet euch zum Teil sehr unterhaltsam und spielerisch durch die Übungen (z. B. Perifit, Emy oder Elvie). Einige dieser Apps könnt ihr euch sogar ärztlich verschreiben lassen!
Kegelübungen für Männer
Wie gesagt, auch für Männer sind Kegelübungen sinnvoll, um ihren Beckenboden zu trainieren und damit unter anderem Inkontinenz und Potenzproblemen entgegenzuwirken. Vor allem bei Operationen an der Prostata sind Kegelübungen extrem hilfreich.
Bei den Herren liegt der Fokus meistens auf dem Training des sogenannten PC-Muskels. Dieser Musculus pubococcygeus ist der Schambein-Steißbein-Muskel, der wiederum die äußerste Muskelschicht des Bockenbodens ist.
Um den Beckenboden zu finden, könnt auch ihr das Urinieren unterbrechen und/oder den Po so zusammenpressen, als ob ihr einen Pups unterdrückt. Dazwischen liegt der Damm, die wichtige Stelle für eure Kegelübungen. Aber auch für Männer gilt: Diese Übung eignet sich nur, um ins Spüren zu kommen, nicht für ein dauerhaftes Training.
Die Alternative, um den Beckenboden zu lokalisieren, nennt sich "Nuts to the Guts". Dabei zieht ihr die Hoden nach oben und innen, Richtung Eingeweide. Oder ihr stellt euch vor, den Penis nach innen zu ziehen.
Wenn ihr trotzdem Schwierigkeiten habt, den Beckenboden zu finden, gibt es auch für Männer die Möglichkeit, auf Biofeedback zurückzugreifen. Wendet euch dazu an eure*n Urolog*in.
Männer können die beiden Kegelübungen folgendermaßen variieren, damit fallen sie manchmal leichter:
1. Übung:
Begebt euch in Rückenlage, die Beine sind ausgestreckt. Nun den Beckenboden zehnmal anspannen, als ob ihr den Harndrang unterdrückt.
2. Übung:
Ebenfalls in Rückenlage den Beckenboden 3 Sekunden leicht, 3 Sekunden stärker und 3 Sekunden ganz stark anspannen. Zehnmal wiederholen.
3. Übung:
Im Sitzen den Beckenboden anspannen, dabei mental den Penis Richtung Nabel ziehen. Ebenfalls zehnmal wiederholen.
Kegelübungen mit Apps
Für Männer ist derzeit nur eine App fürs Beckenbodentraining auf dem Markt: Pelvintense gibt es bei Google Play. Hier bekommt ihr superviele Infos und nützliche Videos für euer effektives Beckenbodentraining. Mit kostenloser Basisversion – worauf wartet ihr also noch?
Auch Yoga kann den Beckenboden sanft trainieren. Ein paar ausgewählte Übungen findet ihr in unserem Video:
Bildquelle: Getty Images / Deagreez