Die Schwangerschaft und die Geburt eines Babys ist Schwerstarbeit für unseren Körper. Dass danach nicht immer alles wieder sofort funktioniert wie gewohnt, ist absolut normal. Eine Begleiterscheinung, über die niemand gerne spricht, ist Blasenschwäche. Wir holen das Thema aus der Tabuzone und beantworten alle wichtigen Fragen zur Inkontinenz nach der Geburt.
- 1.Ist Inkontinenz nach der Geburt normal?
- 2.Wieso kann es nach der Geburt zu Inkontinenz kommen?
- 2.1.Diese 10 Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, nach der Geburt an Inkontinenz zu leiden
- 3.Was kann ich gegen Inkontinenz nach der Geburt tun?
- 4.Wie lange hält die Inkontinenz nach der Geburt an?
- 5.Gibt es eine OP gegen Inkontinenz nach der Geburt?
- 6.Wie kann ich Inkontinenz nach der Geburt vorbeugen?
Ist Inkontinenz nach der Geburt normal?
Blasenschwäche nach der Geburt eines Babys tritt bei vielen Frauen auf. Dabei landen dann z. B. beim Lachen, Niesen, Husten oder auch beim Sport unfreiwillig ein paar Tröpfchen Urin im Slip. Im ersten Jahr nach einer vaginalen Geburt leidet beinahe jede vierte Mama an Inkontinenz. Auch wenn Inkontinenz also echt oft auftritt, musst du sie nicht als zwangsläufige Folge der Geburt akzeptieren. Bitte sprich deine Hebamme oder deine Gynäkologin an. Inkontinenz muss dir absolut nicht peinlich sein und es gibt viel, was man dagegen tun kann.
Wieso kann es nach der Geburt zu Inkontinenz kommen?
Während der Schwangerschaft wird das Bindegewebe sehr gedehnt und der Beckenboden verliert an Spannkraft. Beim Pressen unter der Geburt wird das Gewebe zusätzlich stark beansprucht. Dadurch kann es dazu kommen, dass der Verschluss von Blase und Harnröhre nicht mehr so zuverlässig ist. Wenn der Druck im Bauch z. B. beim Niesen oder Trampolinspringen ansteigt, verlierst du unfreiwillig ein paar Tröpfchen. Diese Art der Blasenschwäche wird Belastungsinkontinenz genannt.
Auch Stuhlinkontinenz kann nach einer Geburt auftreten. Vor allem Mamas, die einen Dammriss dritten oder vierten Grades hatten, leiden oft unter diesem Problem. Stuhlinkontinenz als Folge einer Geburt tritt manchmal auch erst nach Jahren auf – wenn die schwächer werdenden Muskeln die damals zugezogene Verletzung nicht mehr ausgleichen können.
Diese 10 Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, nach der Geburt an Inkontinenz zu leiden
- Alter: Frauen, die bei der ersten Schwangerschaft über 35 sind, haben eine höhere Inkontinenzneigung als jüngere.
- Gewicht: Übergewicht drückt auf das Harnsystem und begünstigt so Inkontinenz nach der Geburt. Auch wenn du während der Schwangerschaft sehr stark zunimmst, entwickelst du danach eher eine Blasenschwäche.
- Größe: Frauen unter 1,60 m Körpergröße haben ein höheres Risiko, nach der Geburt unter Inkontinenz zu leiden.
- Veranlagung: Manche Frauen haben von Natur aus ein schwächeres Bindegewebe. Bei ihnen kommt es häufiger zu Inkontinenz.
- Eine schwere Geburt: Eine Austreibungsphase von mehr als einer Stunde erhöht die Wahrscheinlichkeit für Inkontinenz sehr. Wenn eine Saugglocke oder Zange zum Einsatz kam, kann es außerdem sein, dass der Beckenboden, die Blase oder der Harnleiter verletzt und dadurch Inkontinenz ausgelöst wurde. Dies ist allerdings selten. Obwohl ein Kaiserschnitt das Risiko einer Inkontinenz senkt, ist er doch ein operativer Eingriff mit vielen Risikofaktoren und Folgen für Mama und Baby. Deswegen solltet ihr euch sehr genau beraten lassen und abwägen, ob ihr euch nur aufgrund einer befürchteten Blasenschwäche gegen eine vaginale Geburt entscheiden möchtet.
- Schweres Kind: Wenn du ein Kind mit einem hohen Geburtsgewicht geboren hast, leidest du danach statistisch gesehen häufiger an Inkontinenz.
- Schwangerschaftsdiabetes: Auch eine Gestationsdiabetes erhöht das Risiko, danach an Inkontinenz zu leiden.
- Inkontinenz vor der Schwangerschaft: Wenn du schon vor der Geburt eine Blasenschwäche hattest, begünstigt dies die Inkontinenz auch danach.
- Mehrere Schwangerschaften: Klar, mit jeder Geburt steigt das Risiko.
- Rauchen: Wenn du vor der Schwangerschaft geraucht hast (in der Schwangerschaft solltest du ja ohnehin unbedingt darauf verzichten), musst du mit einem höheren Inkontinenzrisiko rechnen.
Was kann ich gegen Inkontinenz nach der Geburt tun?
- Schonen: Damit sich der strapazierte Beckenboden nach der Geburt erholen kann, solltest du die ersten Wochen nach der Geburt echt langsam machen. Das Wochenbett ist zur Regeneration und Heilung für deinen Körper da.
- Regelmäßig Pipi machen: Nach der Geburt empfiehlt es sich, darauf zu achten, dass du regelmäßig zur Toilette gehst und die Blase nicht zu voll werden lässt. So vermeidest du zu hohen Druck.
- Vorsicht auf dem Klo: Bitte nicht zu sehr pressen, wenn du Stuhlgang hast oder Pipi machen musst. Besser, die Füße auf einen Hocker stellen. So wird der Stuhlgang "mechanisch" gefördert. Beim Wasserlassen kannst du dich leicht nach vorne beugen.
- Schulterblick: Beim Niesen oder Husten hilft ein Blick über die Schulter, den Druck im Bauchraum zu verringern. Dann geht weniger in die Hose.
- Beckenbodentraining: Nach dem Rückbildungskurs kannst du deinen Beckenboden z. B. mit Kegelübungen oder Liebeskugeln weiter stärken. Und das Beste: Du tust damit nicht nur was gegen die Inkontinenz nach der Geburt, sondern sorgst auch wieder für mehr Spaß am Sex. Denn ein fitter Beckenboden führt zu einer höheren Empfindsamkeit und einer verbesserten Orgasmusfähigkeit.
Wichtig: Bitte halte immer Rücksprache mit deiner Hebamme, wann du mit dem Beckenbodentraining nach der Geburt beginnen solltest. Startest du zu früh mit dem Muskeltraining um den Schließmuskel, kann das sogar kontrapoduktiv sein und die Inkontinenz noch verstärken.
- Gewicht reduzieren: Übergewicht fördert Inkontinenz. Deswegen ist es ratsam, abzunehmen – aber bitte langsam, bewusst und ohne Stress!
- Nicht schwer heben: Schone deinen Beckenboden und lasse schwere Gegenstände liegen. Im Wochenbett gilt ohnehin die Faustregel: Bitte nur Gewichte heben, die maximal so schwer wie dein Baby sind!
- Auf harntreibende Getränke verzichten: Koffein, verschiedene Tees, säurehaltige Getränke und auch Alkohol fördern den Harndrang. Wenn du unter Inkontinenz leidest, kann es helfen, den Konsum einzuschränken. Trotzdem solltest du genug trinken, am besten Wasser, Schorle mit Beeren oder auch Roibostee oder entkoffeinierten Kaffee.
- Stress reduzieren: Stress fördert Inkontinenz. Also bitte wann immer möglich: entspannen bei Dingen, die dir gut tun.
- Sport: Aber bitte den richtigen. Bitte sei mit Sportarten, bei denen du viele Stöße abfedern musst, zurückhaltend. Joggen, Tennis oder auch anstrengendes Bauchmuskeltraining sollten warten bis die Inkontinenz eingedämmt ist. Statt dessen empfehlen sich Yoga, Pilates oder Schwimmen. Dabei wird der Beckenboden sanft gestärkt.
Kassenleistung! Es gibt übrigens auch Beckenbodentrainer mit App, mit denen du deinen Beckenboden optimal und unterhaltsam trainieren kannst. Sprich bei Inkontinenz nach der Geburt deine Frauenärztin darauf an. Sie kann dir ein Rezept dafür ausstellen, sodass deine Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt.
- Arzttermin vereinbaren: Wenn du auch nach dem Wochenbett noch Probleme hast, den Urin zu halten, kann ein Termin bei der Gynäkologin oder dem Urologen helfen. Er oder sie werden dich genau untersuchen, u. a. mit Ultraschall, und darauf aufbauend eine Diagnose und ein Behandlungskonzept erstellen.
- Physiotherapie: Gegebenenfalls bekommst du vom Arzt Physiotherapie verschrieben, in deren Rahmen z. B. Biofeedback oder Elektrostimulation gute Ergebnisse bringen können. Manchmal erhältst du begleitend zu dieser Behandlung auch Medikamente, die den Harndrang eindämmen.
- Pessar: Blase und Harnröhre werden durch dieses medizinisches Hilfsmittel aus Silikon in ihrer natürlichen Position unterstützt und der Blasenhals besser verschlossen. Du kannst es selbst in die Vagina einführen, wenn du z. B. weißt, dass du zum Sport gehst, und es auch selbst wieder entfernen.
Übrigens: Zusätzlich zu den Belastungen durch Schwangerschaft und Geburt verliert der Beckenboden auch mit dem Alter an Spannkraft. Um die Wechseljahre haben viele Frauen Probleme mit Inkontinenz. Deswegen muss der Beckenboden wohl oder übel lebenslang trainiert werden – nicht nur nach dem Wochenbett.
Was ihr in der intensiven Zeit des Wochenbetts außer der Schonung eures Beckenbodens noch beachten könnt, zeigt unser Video:
Wie lange hält die Inkontinenz nach der Geburt an?
Bei fleißigem Beckenbodentraining sind viele Frauen ihre Probleme mit Inkontinenz nach der Geburt nach 3 bis 6 Monaten los. Bei anderen verschwinden die Beschwerden auch nach dem Stillen wieder, wenn die lockernde Wirkung der Stillhormone auf den Beckenboden abgeklungen ist. Trotzdem muss man ganz ehrlich sagen: Es gibt auch sehr zahlreiche Fälle, bei denen Blase und/oder Beckenboden nie mehr so kräftig werden wie vor der Schwangerschaft.
Auch nach 5 Jahren noch Probleme
Schon in der Schwangerschaft hat meine Blase fast gar nix mehr ausgehalten, es wurde im letzten Trimester immer schlimmer. Nach der Geburt habe ich dann natürlich Rückbildungstraining gemacht und auch mit dem Elvie Beckenbodentrainer gearbeitet. Aber es ist nie wieder so geworden wie früher.
Obwohl meine Ärztin meinte, es habe sich alles wieder gut zurückgebildet und mein Beckenboden sehe gut aus. Denn ich hab jetzt 5 Jahre später immer noch mit Inkontinenz zu kämpfen. Vor allem sobald ich erkältet bin, huste oder niese, kommen ein paar Tröpfchen, es ist soooo nervig. Das richtige Mittel hab ich noch nicht dagegen gefunden, ich bin da noch im Gespräch mit meiner Ärztin und weiß, dass es Richtung Perimenopause hin auch noch ein Symptom sein kann. Da ich jetzt 40 bin, muss ich da wirklich dran arbeiten.
Also wenn es euch auch so geht, dass ihr nicht nur nach der Geburt sondern später immer noch an Inkontinenz leidet, sprecht mit eurer Frauenärztin und geht bitte offen damit um.
Gibt es eine OP gegen Inkontinenz nach der Geburt?
Wenn Beckenbodentraining und Physiotherapie nicht zum gewünschten Erfolg führen, gibt es als letzte Möglichkeit auch Operationsverfahren.
- TVT-Operation: Dabei wird ein Nylonband um die Harnröhre gelegt, wodurch die Inkontinenz eingedämmt werden soll.
- Vaginale Lasertherapie: Nicht direkt eine Operation, sondern ein minimalinvasiver Eingriff ist die vaginale Lasertherapie. Durch dieses neue Verfahren soll die Vagina gestrafft und damit auch leichten bis mittelschweren Formen der Belastungsinkontinenz entgegen gewirkt werden können. Langzeitstudien fehlen allerdings noch.
- Preanal Repair: Bei Stuhlinkontinenz als Folge einer Geburtsverletzung kann der Damm durch dieses Verfahren des Klinikums Bielefeld operativ rekonstruiert werden. In einzelnen Fällen soll diese OP gleichzeitig auch gegen Blasenschwäche helfen.
Wie kann ich Inkontinenz nach der Geburt vorbeugen?
Schon vor und während der Schwangerschaft kannst du deinen Beckenboden stärken. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit, nach der Geburt an Inkontinenz zu leiden sehr.
Wir recherchieren mit großer Sorgfalt und nutzen nur vertrauenswürdige Quellen. Die Ratschläge und Informationen in diesem Artikel ersetzen aber natürlich keine medizinische Betreuung durch entsprechendes Fachpersonal. Bitte wendet euch bei gesundheitlichen Fragen und Beschwerden an eure Ärztinnen, Hebammen oder Apotheker, damit sie euch individuell weiterhelfen können.
Quellen: Universitätsklinikum Göttingen, Universitätsklinikum Erlangen, inkontinenz.de, pflege.de