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Drohende Frühgeburt

Lungenreife: Wie Glucocortikoid-Spritzen Frühchen das Leben retten können

Lungenreifespritze: Die wichtigsten Infos, wenn eine frühe Frühgeburt droht
Droht eine Frühgeburt vor der 34. Schwangerschaftswoche, wird durch die Gabe von Glucocortikoiden die Lunge des Babys vorzeitig gereift. Die Schwangere bekommt dafür im Abstand von 24 Stunden zwei Spritzen mit Kortison. (© Getty Images/ Ondrooo)

Ist vor der 34. SSW eine Frühgeburt zu befürchten, raten Ärztinnen der Schwangeren oft zu Lungenreifespritzen, um die Entwicklung des Babys anzustubsen und so das Risiko für Komplikationen zu verringern. Wann die vorsorgliche Gabe der Lungenreifespritze sinnvoll ist, wie du dir die Behandlung mit Glucocortikoiden (Kortison) vorstellen kannst und welche möglichen Nebenwirkungen es für Mutter und Kind gibt.

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Kommt ein Baby zu früh auf die Welt, fehlen ihm wichtige Entwicklungsschritte, die es im Bauch eigentlich noch vor sich gehabt hätte. Vor allem die Lungenreife mit Kortisonspritzen ist entscheidend dafür, ob ein Frühchen außerhalb des Mutterleibs gut zurechtkommt.

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Lungenreife: Warum ist sie so wichtig fürs Baby?

Etwa ab der 28. Schwangerschaftswoche (SSW) bildet das Baby den Stoff Surfactant. Dieser regelt die Entfaltung der Lungenbläschen und sorgt dafür, dass das Kind nach der Geburt selbstständig atmen kann. Gesteuert wird dieser Prozess vor allem durch Glucocorticoide, Schilddrüsenhormone und Insulin.

Kommt ein Frühchen vor der 34. SSW zur Welt, wird die Lungenreifung im Mutterleib unterbrochen und es fehlt in der Regel an ausreichend Surfactant. Dadurch drohen ihm Komplikationen wie das Atemnotsyndrom: Das heißt, das Neugeborene bekommt aus eigener Kraft nicht genug Sauerstoff und muss beatmet werden. Dem können Ärztinnen und Ärzte mit der Lungenreife-Behandlung heute jedoch oft vorbeugen.

Lungenreife: Wie läuft die Behandlung ab?

„Droht eine Frühgeburt, können wir bei der Lungenreifung des Babys nachhelfen, indem wir der Schwangeren im Abstand von 24 Stunden zwei Spritzen mit Glucocorticoiden in den Po-Muskel injizieren – meist nutzen wir dafür Betamethason“, erklärt Dr. med. Friederike Weschenfelder, die in der Klinik für Geburtsmedizin in Jena schon viele werdende Mütter mit Frühgeburtsbestrebungen betreut hat.

„Das Kortison gelangt über das Blut und die Plazenta zum Fötus und beschleunigt seine Lungenreifung.“ Für das Neugeborene kann das einen riesen Unterschied machen: Denn je ausgereifter die Lunge eines Frühchens bei der Geburt ist, umso größer sind seine Überlebenschancen.

In 30 Studien mit rund 8.000 Babys bestätigte sich eine beschleunigte und verbesserte Lungenreifung durch die Glucocorticoidgabe vor der Geburt.

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Das sind die Vorteile der Lungenreife für zu früh geborene Babys:

  • Das Frühchen trägt ein verringertes Risiko für eine schwere Atemwegsstörung bei der Geburt oder danach.
  • Zudem ist das Hirnblutungsrisiko beim Neugeborenen minimiert.
  • Und es besteht eine verminderte Gefahr für eine schwere Darmerkrankung.
  • Dadurch hat das Kind eine bessere Chance, zu überleben.
Durch die Gabe von Glukokortikoiden "wird das Risiko für langfristige Lungenschäden, aber auch für Schäden in anderen Organen, z. B. in Gehirn und Darm, gesenkt."
Quelle: S2k-Leitlinie Prävention und Therapie der Frühgeburt 

Wann verabreichen Ärztinnen einer Schwangeren die Lungenreifespritzen?

„Empfohlen wird die Lungenreife ab der laufenden 25. SSW, also 24+0 bis maximal zur 34. SSW bzw. 33+6, wenn eine Frühgeburt in den nächsten Stunden bzw. Tagen als sehr wahrscheinlich eingeschätzt wird“, erklärt Dr. Weschenfelder.

Im Einzelfall komme die Lungenreife-Behandlung auch ein bis zwei Wochen früher infrage. Das sei immer eine Ermessensfrage: „Wir müssen bedenken, dass ein Kind, das viel zu früh geboren wird, auch noch ganz andere Entwicklungs- und Anpassungsstörungen haben kann.“

„In unserer Studie zeigte sich, dass vor allem zu früh geboren Kinder mit einem Geburtsgewicht zwischen 1.000 g und 1.500 g – sogenannte „very low birth weight“, VLBW Kinder – von der Lungenreife im optimalen Zeitfenster profitieren konnten: Sie benötigten seltener eine invasive Beatmung/Intubation oder Surfactantgabe.

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Ungeachtet anderer Einflussfaktoren zeigte sich, dass jeder zusätzliche Tag zwischen vollständiger Lungenreifung und Geburt das Risiko für eine mechanische Beatmung um knapp 5 % steigerte. Es ist somit wichtig, die Lungenreife weder zu spät, noch zu früh zu geben", erklärt die Expertin. Und heute wissen wir auch:

Das Timing der Glukokortikoid-Gabe ist entscheidend

Zwar kann sich schon die erste der zwei Lungenreifespritzen positiv auf das Frühchen auswirken, wenn sie der Mutter 24 Stunden vor der Geburt injiziert wurde.

  • „Den optimalen Effekt haben wir jedoch, wenn wir es schaffen, der Schwangeren die Lungenreife 48 Stunden bis sieben Tage vor der Geburt zu verabreichen“, klärt Dr. Weschenfelder auf.
  • Danach schwächt sich die Wirkung wieder ab.
  • Und kommt das Baby doch erst zum Geburtstermin, war die Behandlung sogar vollkommen unnötig. Das gilt es natürlich zu vermeiden.

„Wir überlegen deshalb heute sehr genau: Welche Frau bekommt ihr Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten paar Stunden oder Tagen – und bei welcher warten wir besser erst einmal ab“, betont Dr. Weschenfelder.

Um das individuelle Fehlgeburtsrisiko einer Schwangeren besser abschätzen zu können, misst der Arzt oder die Ärztin die Zervixlänge. Verkürzt sich der Gebärmutterhals stark, ist das ein Anzeichen für eine bevorstehe Geburt. Außerdem kann eine Untersuchung des Scheidensekrets auf mögliche Biomarker bei der Einschätzung des Frühgeburtsrisikos helfen.

Eine wichtige Voraussetzung für die Lungenreife-Behandlung ist neben der Untersuchung auch eine ausführliche Beratung durch die betreuenden Fachärztinnen, in der alle Vor- und Nachteile geklärt werden, um dann im individuellen Fall zu entscheiden, wie es weitergeht.

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Als generell vorsorgliche Maßnahme macht die Lungenreifungs-Nachhilfe keinen Sinn. Bekommt die Schwangere die Spritzen zum richtigen Zeitpunkt vor einer Frühgeburt, können sie aber das Leben des Kindes retten.
Wichtig zu wissen

Gibt es für Mutter und Kind Risiken und Nebenwirkungen durch die Lungenreifespritze?

Für die werdende Mama geht die Gabe der Lungenreifespritzen in der Regel ohne große Risiken und Nebenwirkungen einher. „Manche Frauen merken kaum etwas, andere reagieren während der Behandlung mit einer gewissen Unruhe, Herzrasen, bekommen ein rotes Gesicht oder schwitzen vermehrt – es ist ja ein Stresshormon, das wir da spritzen“, klärt Dr. Weschenfelder auf.

Der eigentliche Patient ist aber natürlich das Kind: „Die Glucocorticoide gelangen über die Plazenta zum Baby, beschleunigen seine Lungenreifung und bereiten es für die mögliche Geburt vor.“

Für die Schwangere ist es gut zu wissen, dass es sein kann, dass sich das Ungeborene in den Tagen nach der Injektion der Lungenreife-Injektionen etwas weniger bewegt. „Wir sehen häufig im CTG, dass die Kinder im Bauch erst mal nicht mehr so aktiv sind“, berichtet die Geburtshelferin aus der Praxis.

„Auch die Blutzuckerwerte der Mutter können unter der Lungenreife-Behandlung stark ansteigen. Das kann insbesondere bei schwangeren Diabetikerinnen oder Gestationsdiabeterikerinnen dazu führen, dass wir für einen gewissen Zeitraum Insulin geben und/oder die Dosis deutlich anpassen müssen.“

Der Zuckerbelastungstest (75g oGTT) im Rahmen der Schwangerenvorsorge ist deshalb im Fall einer Lungenreife nur mit zeitlichem Abstand sinnvoll. Sonst kann sie die Daten verfälschen.

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Die Auswirkungen des pränatalen Eingriffs auf das Ungeborene werden auch laufend erforscht und eingeordnet.

Studien zufolge geht die einmalige Gabe eines Kortison-Zyklus (zwei Spritzen) nicht mit besonderen Nebenwirkungen einher. Eine wiederholte Lungenreifespritze-Behandlung im 14-Tage-Rhythmus ergab jedoch Auffälligkeiten. So stellten die Forscher fest, dass diese Babys bei der Geburt in der Regel kleiner waren als Neugeborene, die im Mutterleib zuvor nur eine Gabe bekamen. Deshalb wird von einer längeren Behandlung abgeraten.

Einer weiteren Studie zufolge wird die Verabreichung der Lungenreifespritze mittlerweile mit späteren psychischen Auffälligkeiten und sogar ADHS in Verbindung gebracht. Andere Wissenschaftler fanden in einer Untersuchung heraus, dass die künstliche Zugabe von Kortison mit der Lungenreifespritze die Gehirnentwicklung beeinträchtigen könnte. Hier sind jedoch noch weitere Studien nötig, um klare Aussagen treffen zu können.

„So ein Eingriff in den natürlichen Reifungsprozess darf natürlich niemals leichtfertig geschehen“, erklärt Dr. Weschenfelder. „Die Lungenreife ist bei einer drohenden Frühgeburt aber in den meisten Fällen das Mittel der Wahl und rettet vielen Frühchen nachweislich das Leben.“

Müssen werdende Mütter mit Frühgeburtsbestrebungen liegen oder nicht liegen? Inzwischen geben Expert*innen darauf folgende Antwort: „Bettruhe ist abgesehen von wenigen Ausnahmen selten nötig. Auch sollte bedacht werden, dass durch diese Maßnahme die Gefahr für Thrombosen, Knochen- und Muskelschwund und vor allem für Depressionen erhöht wird.“

Im besten Fall kommt es nicht so weit und das Baby ist durch die Lungenreife bestmöglich gewappnet. Eine große Angst ist trotzdem:

Wird es dem Baby im Falle einer Frühgeburt gut gehen? Hat es bereits 24 Schwangerschaftswochen vollendet, gilt das Baby als lebensfähig, „auch wenn ein erhöhtes Risiko für kurz- und langfristige Komplikationen besteht, z. B. des Herzkreislaufsystems, der Lunge, des Verdauungstrakts, des Gehirns sowie des Hör- oder Sehvermögens. Durch den medizinischen Fortschritt ist der Anteil der Frühgeborenen mit Beeinträchtigungen der Sinne und geistigen oder motorischen Beeinträchtigungen in den letzten zwei Jahrzehnten allerdings deutlich zurückgegangen."

Quelle: S2k-Leitlinie Prävention und Therapie der Frühgeburt / Patienteninformationen

Muss ich für die Lungenreife im Krankenhaus bleiben?

Es macht auf jeden Fall Sinn, schließlich verordnen Ärztinnen und Ärzte die Lungenreife nur bei einer akut drohenden Frühgeburt. Und wohl jede werdende Mama wird sich unter diesen Umständen wünschen, Geburtshelferinnen und Neonatologen in ihrer Nähe zu haben, die ihr Frühgeborenes im Ernstfall bestmöglich versorgen können.

  • Perinatalzentren Level I versorgen Frühgeborene ab der Grenze der Lebensfähigkeit (um die 24. SSW)
  • Perinatalzentren Level II sind auf Frühgeborene ab SSW 29 vorbereitet
  • und Kliniken mit perinatalem Schwerpunkt kümmern sich um Frühgeborene ab der 32 SSSW.

Hier finden Eltern Informationen zu Perinatalzentren und Unterstützung, bei denen die Gefahr einer Frühgeburt besteht.

Quellen: Leitline: „Prävention und Therapie der Frühgeburt"; federführende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG); Patienteninformationen auf Leitlinien-Basis: Professor Richard Berger, Dr. Annika Brunck, Dr. Barbara Filsinger, Sarah Fügenschuh, Silke Mader, Barbara Mitschdörfer, Priv.-Doz. Dr. med. Dipl. Biol. Edith Reuschel: Frühgeburt Was Sie als werdende Eltern wissen sollten.; Cochrane Collaboration: Welchen Nutzen und welche Risiken hat die Gabe von Kortikosteroiden bei Schwangeren mit erhöhtem Frühgeburtsrisiko?; Interview mit Dr. med. Friederike Weschenfelder, Fachärztin an der Klinik für Geburtsmedizin in Jena

Wir recherchieren mit großer Sorgfalt und nutzen nur vertrauenswürdige Quellen. Die Ratschläge und Informationen in diesem Artikel ersetzen aber natürlich keine medizinische Betreuung durch entsprechendes Fachpersonal. Bitte wendet euch bei gesundheitlichen Fragen und Beschwerden an eure Ärztinnen, Hebammen oder Apotheker, damit sie euch individuell weiterhelfen können.

Gut zu wissen: Auch Frühchen profitieren davon, wenn sie Muttermilch bekommen:

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