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Weniger Hebammen – mehr Geburten: Mangelware Hebammen-Hilfe

Die Hebamme ist eine große Beruhigung für jede Schwangere

Überlastung, Unterbezahlung, hohe Versicherungsbeiträge, Kreißsaalschließungen – das sind die Gründe, warum viele Hebammen ihren Beruf aufgeben. Das Nachsehen haben alle Schwangeren.

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Eine Schwangerschaft ist immer begleitet von Unsicherheit und Ängsten: vom Zweifel, auch alles richtig zu machen, über die Sorgen um die Gesundheit des Kindes bis hin zur Angst vor der Geburt an sich. Neuerdings kommt noch eine weitere hinzu: die Angst, keine Hebamme zu finden. Täglich müssen Frauen vor dem Kreißsaal abgewiesen werden oder weite Strecken bis zur nächsten Geburtsklinik in Kauf nehmen.

Hebammen in Not - Warum wir alle betroffen sind

Eine Geburt ohne Hebamme? Für manche unvorstellbar. Für wiederum andere leider nur möglich.

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Die Mangelware Hebammenhilfe erfordert langes Suchen

Die Angst, dass du zum errechneten Geburtstermin ohne Hebamme dastehen könntest, ist durchaus begründet. Gesucht werden jetzt schon, zu Beginn des Jahres, Hebammen für Geburten Ende Juli 2019. Du kannst also gar nicht rechtzeitig genug anfangen, nach einer Hebamme in deiner Nähe Ausschau zu halten.

Fast wie ein Sechser im Lotto: eine freie Hebamme in Wohnortnähe zu finden

Am besten tust du das sofort zu Beginn deiner Schwangerschaft. Das ist keineswegs verfrüht, so dramatisch ist die Situation in der Hebammenhilfe mittlerweile. Festgehalten hat das der Deutsche Hebammenverband DHV in seiner Landkarte der Unterversorgung, die bereits mehr als 23.000 Einträge verzeichnet. Die Hoffnung auf eine baldige Besserung der Situation zerstreut eine zweite Auflistung des DHV, denn das neue Jahr fängt gar nicht gut an. Schon zu Jahresbeginn gibt es drei Kreißsaalschließungen. 2018 war bundesweit im Schnitt jeden Monat ein Kreißsaal geschlossen worden oder von Schließung bedroht. Die aktuelle Situation sieht so aus:

Kreißsaalschließungen im Januar 2019

  1. Asklepios Südpfalzklinik in Germersheim. Grund: Personalmangel
  2. Pius-Hospital Oldenburg. Grund: Personalmangel
  3. Krankenhaus Maria Hilf GmbH Daun. Grund: Personalmangel (aussichtslose Suche nach Belegärzten)

In München droht zudem die Kreißsaalschließung in der Geburtshilfe im Klinikum Neuperlach. Der Deutsche Hebammenverband listet in seiner Landkarte der Kreißsaalschließungen für die vergangenen vier Jahre sage und schreibe 85 geschlossene oder von Schließung bedrohte Kreißsäle auf. Damit ist seit Anfang der 1990er Jahre die Zahl der Kreißsäle in Deutschland um satte 40 Prozent zurückgegangen. Die Gründe sind immer dieselben: zum einen der ökonomische Druck, weil für manche Kliniken Geburtshilfe finanziell nicht lohnend ist, zum anderen der Mangel an genügend qualifiziertem Personal in den Krankenhäusern.

Die Geburtshilfe in Deutschland steckt in der Krise

Wie immer in Krisensituationen so sind es auch hier mehrere Gründe, die für das derzeitige Dilemma der Hebammen verantwortlich sind:

  • immer mehr Kreißsaalschließungen
  • steigende Haftpflichtversicherungen
  • schlechte Bezahlung
  • zunehmende Arbeitsüberlastung
  • gestiegene Geburtenzahlen
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Der Beitrag für die Haftpflicht klettert in enorme Höhen

Bei den Faktoren, die für die verschärfte Situation bei der Hebammenhilfe mitverantwortlich sind, stehen an vorderster Stelle die immens gestiegenen Versicherungsbeiträge - ein Problem, das die Betroffenen schon lange kennen. Nur ein Teil der bundesweit etwa 24.000 Hebammen ist fest angestellt, mehr als die Hälfte ist selbstständig. Zum 1. Juli 2018 hat sich die Haftpflichtprämie für Hebammen, die freiberuflich in der Geburtshilfe tätig sind, noch einmal erhöht, sodass der jährliche Beitrag laut DHV nun bei annährend 8.000 Euro liegt. Seit 2016 gibt es inzwischen zumindest einen Sicherstellungszuschlag, der die Prämiensteigerungen ein wenig auffangen soll. Doch viele Hebammen hat die prekäre Situation schon zur Aufgabe gezwungen, manche arbeiten nur noch aus Liebe zu ihrem Beruf und gehen nach Feierabend putzen oder sind zusätzlich auf Hartz IV angewiesen.

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Zu wenige Hebammen – mehr Geburten

Es gibt allerdings auch einen sehr schönen Grund: In den vergangenen Jahren wurden bei uns wieder mehr Kinder geboren, wie die Statistik zeigt. Während in den ersten zehn Jahren seit der Jahrtausendwende die Zahl der Geburten in Deutschland regelmäßig zurückgegangen war, steigt sie seit 2011 kontinuierlich an, von rund 660.000  auf 792.131 im Jahr 2016. Lediglich im Jahr 2017 sank sie, im Vergleich zum Vorjahr, wieder leicht ab. Aus Kostengründen wurde jedoch zumeist darauf verzichtet, dafür wieder mehr Personal für die Geburtshilfe einzustellen. Hebammen in deutschen Kliniken betreuen drei- bis fünfmal so viele Frauen wie im europäischen Ausland, teilweise gleich mehrere Geburten parallel. Von einer Eins-zu-eins-Betreuung, wie international üblich, ist man hierzulande noch weit entfernt.

Künftige Hebammen haben studiert

Als Hoffnungsstreif am Horizont gilt nun die kommende Akademisierung, für die es aber auch höchste Zeit wird. Denn die Uhr tickt, Stichtag ist der 18. Januar 2020. Dann muss die EU-Richtlinie, die auch im Koaltitionsvertrag der Bundesregierung steht, umgesetzt sein. In fast allen europäischen Ländern wurde die Hebammenausbildung bereits vollständig an die Hochschulen verlagert. Deutschland ist, gemeinsam mit drei anderen, kleineren Ländern in Europa, das Schlusslicht bei der Hebammenausbildung auf Hochschulniveau. Derzeit gibt es lediglich in einigen deutschen Städten solche Studiengänge als Pilotprojekte. Für die vollständige Akademisierung muss bei uns erst noch der gesetzliche Rahmen her.

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Der Hebammenberuf wird attraktiver

Mit der Akademisierung wird der Hebammenberuf attraktiver – und es herrscht wieder Chancengleichheit auf dem innereuropäischen Arbeitsmarkt. Denn bislang bekommen Hebammen mit deutschem Abschluss im Ausland häufig nur einen Arbeitsplatz auf niedrigerem Qualifikationsniveau angeboten. Das wird sich mit der Hochschulausbildung ändern. Hebammen sind bereits heute auf einem akademischen Niveau, denn sie arbeiten selbständig und unabhängig, sie müssen umfassende medizinische Kenntnisse haben und auf dem aktuellen wissenschaftlichen Sachstand sein. Ihre Arbeit besteht aus komplexen physiologische und psychischen Prozessen, und sie tragen eine große Verantwortung für dich und dein Kind.

Trotz der Misere in der Gegenwart gibt es also eine begründete Hoffnung, dass es künftig auch in Deutschland eine optimale Versorgung von Mutter und Kind in bestmöglicher Qualität geben wird.

Bildquelle: Getty Images

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