Was wollte ich nochmal in der Küche? Wann ist mein Geburtstag und wie heißt nochmal mein Mann? In den letzten Wochen meiner Schwangerschaft hatte ich das Gefühl zu verdummen. Die einfachsten Informationen wollten mir nicht mehr einfallen. Manchmal kamen mir sogar ganze Wörter abhanden, was in meinem Beruf als Redakteurin nicht sehr förderlich ist. Schwangerschaftsdemenz hörte ich von allen Seiten, wenn ich mein Gedächtnisproblem ansprach. Klang irgendwie gefährlich. Ist es glücklicherweise aber nicht.
- 1.Was ist eine Schwangerschaftsdemenz?
- 2.Wann fängt eine Schwangerschaftsdemenz an?
- 3.Was sind die Symptome einer Schwangerschaftsdemenz?
- 4.Was passiert bei einer Schwangerschaftsdemenz?
- 5.Was sind die Ursachen für eine Schwangerschaftsdemenz?
- 6.Wie lange dauert Schwangerschaftsdemenz?
- 7.Was hilft gegen Schwangerschaftsdemenz?
- 8.Sagt eine Schwangerschaftsdemenz etwas über das Geschlecht des Kindes aus?
- 9.Muss ich mit einer Schwangerschaftsdemenz zum Arzt?
- 10.Kann man einer Schwangerschaftsdemenz vorbeugen?
Was ist eine Schwangerschaftsdemenz?
Tatsächlich hat die Wissenschaft so etwas wie eine Schwangerschaftsdemenz, oder auch Stilldemenz (mit der Geburt hört die Vergesslichkeit nämlich nicht auf), bestätigt. Wobei die Mediziner nicht wirklich von einer Demenz sprechen, sondern nur von nachweisbaren Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten von werdenden Müttern und Neumamas. Im Englischen nennt man das Phänomen etwas charmanter “Baby Brain”.
Wann fängt eine Schwangerschaftsdemenz an?
Bei den meisten Schwangeren macht sich die Schwangerschaftsdemenz im letzten Drittel der Schwangerschaft bemerkbar. Aber seien wir ehrlich, was wird im dritten Trimester für uns Schwangere nicht schwerer? Wir schlafen mies, der Bauch spannt, der Rücken drückt, die Symphyse schmerzt, wir haben Wasser in den Beinen und vielleicht auch schon die ein oder andere fiese Übungswehe. Kein Wunder, dass unser Gedächtnis sich auch verabschiedet. Vielleicht ist das ja auch ganz gut so und von der Natur gewollt, sodass wir uns hinter nicht mehr so sehr an die Strapazen der Schwangerschaft erinnern und fröhlich JA sagen, wenn die Frage nach einem zweiten Kind aufkommt.
Was sind die Symptome einer Schwangerschaftsdemenz?
Da eine Schwangerschaftsdemenz im eigentlichen Sinne keine Krankheit ist und auch mit einer normalen Demenz, wie sie häufig im Alter auftritt, nichts zu tun hat, gibt es keine klar umrissenen medizinischen Symptome. Folgende Auffälligkeiten können in der Schwangerschaft jedoch als Schwangerschaftsdemenz gewertet werden:
- Vergesslichkeit (nicht das Kurzzeitgedächtnis betreffend)
- Leichte Wortfindungsschwierigkeiten
- Tollpatschigkeit
- Konzentrationsprobleme
Was passiert bei einer Schwangerschaftsdemenz?
Aber zurück zur Wissenschaft: Forscher der Deakin University in Melbourne haben in einer Meta-Analyse Daten aus 20 Studien mit mehr als 700 Schwangeren und ebenso vielen gleichaltrigen Nicht-Schwangeren verglichen. Die kognitive Leistung der werdenden Mamas war dabei um etwa 28 Prozent geringer, insbesondere im Bereich Gedächtnis, Entscheidungsfindung und Impulskontrolle.
Gegen Ende der Schwangerschaft wird die Schwangerschaftsdemenz immer ausgeprägter, so die Wissenschaftler, aber auch im zweiten Drittel der Schwangerschaft können sich schon so manche Gedächtnisbeeinträchtigungen spürbar machen.
Einmal alles, bitte
Endlich weiß ich, warum ich in meiner Schwangerschaft bei süßem Babykram jedem Kaufimpuls nachgeben musste und wegen Entscheidungsschwierigkeiten alles in doppelter Ausführung in unterschiedlichen Farben gekauft habe.
Was sind die Ursachen für eine Schwangerschaftsdemenz?
Das Leben als Schwangere bringt viele Neuheiten mit sich, die sich auf das Gedächtnis auswirken und zu einer Schwangerschaftsdemenz führen können:
- Hormonelle Umstellungen
- Schlafmangel (im letzten Trimester)
- Körperliche Erschöpfung
- Neue Aufgaben (Elterngeld, Erstausstattung, Klinikwahl, Hebammensuche, etc.)
- Neuer Tagesablauf (ab dem Mutterschutz)
Besonders die Hormone hat die Wissenschaft als Übeltäterin für die Schwangerschaftsdemenz ausgemacht. Kurz vor der Geburt und auch danach wird unser Körper von verschiedenen Hormonen geflutet: Oxytocin, Prolaktin, Progesteron und Östrogene - es geht drunter und drüber. Der Körper hat dieses Spiel der Hormone zwar wunderbar orchestriert, sodass sie das Baby lange genug im Bauch halten, es dann (mehr oder minder) pünktlich los schicken und uns Mütter nach der Geburt mit unserem Baby bonden und die Milch einschießen lassen. Aber sie sorgen eben auch dafür, dass unser Gedächtnis nicht mehr so gut funktioniert. Kommt dann noch das Stresshormon Kortisol dazu, kapituliert unser Köpfchen und will einfach nur noch gemütlich aufs Sofa gebettet werden.
Wie lange dauert Schwangerschaftsdemenz?
Keine Sorge, das bleibt nicht so. Die Schwangerschaftsdemenz geht bei vielen Müttern nach der Geburt zwar nahtlos in eine Stilldemenz über, aber beides ist nicht von Dauer. Mit der Umstellung der Hormone findet auch unser Gedächtnis wieder zu gewohnter Leistung zurück und im Alltag mit Kind sogar weit darüber hinaus. Mit Kind muss man sich nämlich noch tausend Dinge mehr merken als früher. Das treibt jedes Gehirn zur Höchstleistung an, aber das ist ein anderes Thema. Es gibt aber auch Mütter, die das Gefühl haben, dass ihr Gedächtnis nie wieder zu alter Form zurück fand, wie z. B. unsere Kollegin Katja.
Gedächtnis komm zurück
Bei mir fing die Demenz erst in den letzten Wochen der Schwangerschaft an, ging aber wohl nie mehr weg. Kurz vor der Geburt ließ ich einfach Mitten in der Stadt mein Auto mit Schlüssel drin für mehrere Stunden offen stehen, zum Glück hat sich niemand daran bedient. In der Stillzeit wurde es dann noch schlimmer und bis heute, 2 Jahre nach der Geburt meines Sohnes, bin ich immer noch oft unkonzentriert und vergesse manchmal, was ich gerade gemacht habe oder dass ich meinen Handschuh statt in die Jackentasche in den Müll gepackt habe. Was soll das, liebe Natur?!
Was hilft gegen Schwangerschaftsdemenz?
Ständig Dinge zu vergessen nervt. Sich darüber aufregen aber auch. Deshalb steht Gelassenheit ganz oben auf unserer List der Mittelchen gegen Schwangerschaftsdemenz:
- Gelassenheit üben Kein Gedanke und Wissen ist auf ewig verloren
- Stress vermeiden Gibt Aufgaben ab, wenn es dir zu viel wird (auch Papas können Strampler kaufen)
- Ausreichend schlafen Wenn du gegen Ende der Schwangerschaft in der Nacht keinen Schlaf findest, dann sorge tagsüber für Ruhemomente
- Viel trinken Wasser hält dein Gedächtnis und deinen Körper am Laufen (in der Schwangerschaft besonders häufig zur Toilette)
- Termine und Daten notieren Vergessene Dinge bringen Stress und mehr Stress fördert die Schwangerschaftsdemenz. Deshalb alles notieren.
- Gedächtnistraining Kreuzworträtsel und Lesen fördert die Konzentration und das Gedächtnis, zumindest schadet es nicht, wenn ihr Spaß daran habt.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Schwangerschaftsdemenz auch einen positiven Sinn hat: Die werdenden Mamas sollen sich voll und ganz auf ihre Schwangerschaft, die Geburtsvorbereitung und die neue Aufgabe als Mutter konzentrieren. Der Fokus wandert mit fortschreitender Schwangerschaft nach innen zum Kind.
Dieser Gedanke ist zwar tröstlich (und für mich auch etwas patriarchalisch, ich will nicht NUR NOCH Mama sein), hilft einem aber auch nicht weiter, wenn man hochschwanger im Supermarkt steht und partout nicht mehr weiß, was man eigentlich kaufen wollte.
Wer klingelt da?
Also ich war letztens mit dem Töchterchen auf dem Spielplatz und bekam einen Anruf von meinem Mann: Der Heizungsableser stünde vor der Tür. Ich hatte den Termin einfach komplett vergessen. Zum Glück hat unsere Vermieterin ihn dann reingelassen und wir konnten den sonnigen Nachmittag weiter genießen. Der Termin stand übrigens auch im Kalender.
Sagt eine Schwangerschaftsdemenz etwas über das Geschlecht des Kindes aus?
Laut kanadischer Forscher der Simon Fraser University Burnaby schon. Zumindest publizierten sie 2005 Ergebnisse einer Untersuchung, die besagten, dass Schwangere, die ein Mädchen erwarten vergesslicher sind als To-be-Jungs-Mamas. Frauen, die Mädchen erwarten, haben demnach einen höheren HCG-Wert, was eine Schwangerschaftsdemenz fördert.
Muss ich mit einer Schwangerschaftsdemenz zum Arzt?
Das gut ist, dass man als Schwangere ja sowieso regelmäßig Gast in der Arztpraxis ist, sodass man bei den Vorsorgeterminen ansprechen kann, wenn einem die eigene Vergesslichkeit Sorgen macht. In der Regel ist eine Schwangerschaftsdemenz aber nicht so ausgeprägt, dass man sich davor fürchten muss. Sie führt viel eher zu lustigen bis peinlichen Momenten, weil einem z. B. plötzlich der Name des größten Businesskunden nicht mehr einfällt oder man seinen eigenen Geburtstag vergisst.
Wenn ihr an euch neben der typischen Vergesslichkeit noch weitere Veränderungen bemerkt, wie beispielsweise Traurigkeit, große Besorgtheit, starke Ängste, etc. sprecht besser euren Arzt oder eure Ärztin darauf an. Möglicherweise handelt es sich dann nicht um eine Schwangerschaftsdemenz, sondern um eine beginnende Depression.
Kann man einer Schwangerschaftsdemenz vorbeugen?
Nicht wirklich. Gegen unsere Hormone sind wir machtlos. Das beweisen uns die kleinen Botenstoffe unseres Körpers in der Schwangerschaft nur allzu deutlich, wenn sie uns mit Schwangerschaftsübelkeit, Symphysenschmerzen, Wassereinlagerungen oder einem unbändigen Nestbautrieb ärgern. Aber eben diese Hormone sorgen auch dafür, dass unser Körper überhaupt dazu fähig ist, unser Baby entstehen zu lassen, es nach der Geburt unbändig zu lieben, es zu stillen und auch mit Schlafmangel über uns hinauszuwachsen.
Aber wir können versuchen den anderen Faktoren wie Stress, Schlafmangel, fehlende Routine, etc., die die Vergesslichkeit in der Schwangerschaft fördern, entgegenzuwirken. Und ansonsten einfach darüber Lachen, wenn wir mal wieder die Hälfte des Einkaufs vergessen haben oder die Fernbedienung im Kühlschrank wiederfinden. Denn eines ist sicher: Irgendwann verwandeln eure Hormone euer Baby Brain wieder in ein normales Brain!
Bildquelle: Getty Images/ AndreyPopov