Was sich irgendwie befremdlich anhört, ist schon Trend in den USA und in Australien und schwappt allmählich auch nach Europa über: Vaginal Seeding oder auch Vaginale Impfung. Was es damit auf sich hat und warum Experten hierzulande (noch) skeptisch sind.
Jedes dritte Baby in Deutschland kommt heute per Kaiserschnitt auf die Welt. Zahlreiche Studien belegen, dass diese Kinder in ihrem späteren Leben einem höheren Risiko für Autoimmunerkrankungen und Infektionen ausgesetzt sind, als Kinder, die auf natürlichem Weg zur Welt kommen. Warum das so ist, darüber herrscht in Wissenschaftskreisen noch keine Einigkeit. Eine neue Vermutung aber lautet, dass den Kaiserschnitt-Kindern der Kontakt zur natürlichen Bakterienbesiedlung im Geburtskanal der Mutter fehlt und sie deshalb ein schwächeres Immunsystem aufbauen. Um dieses Defizit auszugleichen, werden Neugeborene in den USA, in Australien und auch schon in Großbritannien immer häufiger „vaginal gimpft“, indem sie direkt nach der Geburt mit dem Scheidensekret der Mutter eingerieben werden.
So funktioniert Vaginal Seeding
Dafür wird der Mutter einige Zeit vor der Kaiserschnitt-OP eine sterile Mullbinde in die Vagina eingelegt, wo sie das Scheidensekret auffangen soll. Nach der Geburt wird das Neugeborene dann damit am ganzen Körper eingerieben, auch an den Augen und im Mund. So soll es nachträglich mit den Bakterien in Berührung gebracht werden, denen es auf dem natürlichem Geburtsweg im Geburtskanal ausgesetzt worden wäre.
In der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ wurde bereits eine erste kleine Studie zum Vaginal Seeding veröffentlicht. Hier zeigte sich, dass bei den vier getesteten Kaiserschnitt-Babys, die vaginal geimpft worden waren, vier Wochen nach der Geburt eine ähnliche Bakterienbesiedlung im Darm vorhanden war, wie bei natürlich entbundenen Babys. Insbesondere Lactobacillus- und Bacteroides-Stämme konnten nachgewiesen werden, die wichtig sind für den Aufbau des Immunsystems. Diese Bakterien sind bei Kaiserschnitt-Babys zu diesem Zeitpunkt normalerweise kaum vorhanden.
Es braucht in Zukunft großangelegte Langzeitstudien, um den Effekt von Vaginal Seeding umfassend zu erforschen und die ersten positiven Untersuchungsergebnisse zu bestätigen.
Experten warnen vor dem Infektionsrisiko
Und solange es diese nicht gibt, warnen Wissenschaftler, Ärzte und Hebammen hierzulande noch vor dem Vaginal Seeding. Größter Kritikpunkt: das Infektionsrisiko. Für einen noch nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesenen Effekt, dürfe man das Risiko nicht eingehen, das Kind auf diesem Weg mit Streptokokken, Herpesviren oder Chlamydien anzustecken. Außerdem ist noch fraglich, ob das kurze Abreiben mit dem Scheidensekret schon den gleichen Effekt hat, wie die bakterielle "Impfung" auf dem Weg durch den Geburtskanal.
Bis gänzlich erforscht ist, ob die Methode Vaginal Seeding wirklich etwas bringt und ungefährlich ist, gehen vermutlich noch einige Jahre ins Land. In der Zwischenzeit raten Experten laut der Pharmazeutischen Zeitung Online weiter dazu, das Baby zu stillen und auf Antibiotika-Behandlungen zu verzichten, damit sich eine gesunde Darmflora entwickeln kann.
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