Eine vertrauliche Geburt ist ein Hilfsangebot für Frauen, die ihre Schwangerschaft aus welchen Gründen auch immer geheim halten möchten oder müssen. Wie das Ganze abläuft, an wen du dich in dieser schwierigen Situation wenden kannst und was mit dem Kind passiert, wenn es auf der Welt ist.
- 1.Was versteht man unter vertraulicher Geburt?
- 2.Ablauf einer vertraulichen Geburt
- 2.1.Gespräch bei einer Beratungsstelle
- 2.1.1.Stufe 1
- 2.1.2.Stufe 2
- 2.2.Vermittlung in medizinische Betreuung
- 2.3.Kontakt zum Jugendamt
- 2.4.Nach der Geburt
- 3.Was ist, wenn ich das Baby nach der vertraulichen Geburt doch haben möchte?
- 4.Wie erreiche ich den Rettungsdienst für eine vertrauliche Geburt?
- 5.Was ist der Unterschied zwischen anonymer und vertraulicher Geburt?
- 6.Adoption nach vertraulicher Geburt: Welche Rechte hat der Vater?
Was versteht man unter vertraulicher Geburt?
Keine Frau entscheidet sich leichtfertig dafür, ihr Kind anonym zur Welt zu bringen und danach nicht mit ihm zu leben. Hinter solchen Entscheidungen stehen schwerwiegende persönliche Konflikte oder Notsituationen, manchmal auch die Angst um das eigene Leben. Die Schwangeren sind oft völlig verzweifelt und sehen keinen Ausweg für ihre Situation. Um zu verhindern, dass diese Frauen heimlich alleine gebären, ihr Kind in eine Babyklappe legen, aussetzen oder sogar töten, gibt es in Deutschland die Möglichkeit zur vertraulichen Geburt.
Wenn du schwanger bist und Hilfe benötigst, kannst du dich unter der Nummer 0800 40 40 020 rund um die Uhr an das kostenlose Hilfetelefon "Schwangere in Not" wenden. Auch wenn du nicht gut Deutsch sprichst, kannst du hier anrufen – die Beratung gibt es in 19 Sprachen. Alternativ findest du im Chat Hilfe.
Im Rahmen der vertraulichen Geburt können Frauen ihr Baby ohne Preisgabe ihrer Identität und unter medizinischer Betreuung sicher zur Welt bringen. Die Regelungen zur vertraulichen Geburt gelten grundsätzlich für alle Geburtshäuser, Kliniken und Hebammen bundesweit. Du kannst also in jedem Krankenhaus Hilfe für deine Situation finden. Die Klinik wird sich für dich mit einer Beratungsstelle in Verbindung setzen, die dann mit dir Kontakt aufnehmen und bei Wunsch – auch alles Weitere übernehmen wird. Auch wenn du bereits anonym entbunden haben solltest, findest du bei den Beratungsstellen Schutz und Hilfe.
Ablauf einer vertraulichen Geburt
Gespräch bei einer Beratungsstelle
Wenn du vertraulich entbinden möchtest, wende dich an eine Beratungsstelle für Schwangere. Sie koordiniert und begleitet die vertrauliche Geburt. Die Beratung erfolgt in zwei Stufen:
Stufe 1
Bei der Beratungsstelle für Schwangere wirst du eingehend und ergebnisoffen beraten. Diese Gespräche sind absolut anonym, kostenlos und unverbindlich. Man wird nicht versuchen, dich zu einem anderen Entschluss zu überreden, sondern dir mögliche Alternativen aufzeigen und konkrete Hilfsangebote machen.
Stufe 2
Wenn du dich nach der Beratung für eine vertrauliche Geburt entscheidest, wird diese Entscheidung akzeptiert, egal, welche Gründe du dafür hast. Die Beraterin wird dir deine Rechte, aber auch die Rechte des Kindes und des Vaters sowie das Thema Adoption genau erklären.
Um die vertrauliche Geburt in Anspruch nehmen zu können, ist es notwendig, dass du deine Identität bei der Beratungsstelle – einmalig – offenbarst. Keine Angst, die Beraterinnen sind gesetzlich an die Schweigepflicht gebunden. Weder deine Eltern, noch dein Mann oder sonst jemand erfährt etwas. Deine Daten werden in einem Herkunftsnachweis festgehalten und in einem versiegelten Umschlag an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) übersandt. Dort werden sie sicher aufbewahrt.
Danach wählst du ein Pseudonym, also einen falschen Namen für dich. Mit diesem Namen wird man dich ab jetzt ansprechen, sodass deine wahre Identität geschützt ist. Du darfst auch einen oder mehrere Vornamen für dein Baby auswählen.
Die Beratungsstelle wird dafür sorgen, dass du vor, während und nach der Geburt Unterstützung erhältst. Du bist nicht alleine!
Wichtig für Frauen, die bereits Kinder haben: Auch das Jugendamt wird nur das Pseudonym, nie deinen richtigen Namen erfahren. Es kann also nicht passieren, dass dir das Sorgerecht für deine anderen Kinder entzogen wird, weil du dich in diesem Fall für eine vertrauliche Geburt entscheidest.
Vermittlung in medizinische Betreuung
Nun überweist dich die Beratungsstelle unter Nutzung deines Pseudonyms in medizinische Betreuung, d. h. sie stellt den Kontakt zu einer Hebamme, bzw. einer Klinik oder einem Geburtshaus her, in dem du vertraulich entbinden kannst. Du darfst diese Einrichtung frei wählen. Das medizinische Personal betreut dich bei allen Voruntersuchungen und während der Geburt, sodass das Baby sicher zur Welt kommt.
Kontakt zum Jugendamt
Parallel nimmt die Beratungsstelle Kontakt zum zuständigen Jugendamt auf. Sie teilt ihm dein Pseudonym, den errechneten Entbindungstermin und das Krankenhaus, in dem du vertraulich entbinden möchtest, mit.
Nach der Geburt
Wenn das Baby auf der Welt ist, ruht deine elterliche Sorgepflicht erstmal. Die Klinik gibt der Beratungsstelle das Geburtsdatum und den -ort des Kindes durch. Auch das Standesamt wird – mit dem Vermerk, dass eine vertrauliche Geburt vorliegt – informiert. Es erfährt dein Pseudonym und den Vornamen des Babys, stellt damit die Geburtsurkunde für das Kind aus und übergibt die Daten an das BAFzA, damit der Umschlag eindeutig zugeordnet werden kann.
Das Jugendamt nimmt das Baby nun in Obhut und lässt über ein Familiengericht einen Vormund bestellen. Als Mutter wirst du weiterhin medizinisch betreut und durch deine Beratungsstelle unterstützt.
Was ist, wenn ich das Baby nach der vertraulichen Geburt doch haben möchte?
Die Beraterin hilft dir bei der Entscheidung, ob du dein Kind zur Adoption freigeben oder doch zurückhaben möchtest. Das ist sogar bis zu einem Jahr nach der Geburt noch möglich! Genauer gesagt bis zum richterlichen Adoptionsbeschluss, der in der Regel frühestens nach zwölf Monaten erfolgt.
Durch die Beratungsstelle kannst du auch eine sog. Familienhebamme vermittelt bekommen. Falls du dich doch dazu entscheidest, das Baby anzunehmen, kann sie dich kompetent und einfühlsam dabei unterstützen.
Voraussetzung dafür, dass du dein Baby nach einer vertraulichen Geburt doch zu dir nehmen kannst, ist es allerdings, dass du nun deine Anonymität aufgibst und die Mutterschaft (im Zweifelsfall genetisch) nachweist – und zwar rechtzeitig vor dem gerichtlichen Adoptionsbeschluss. Auch wird ein Familiengericht vor der Rückgabe prüfen, ob eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen könnte. Die Beratungsstelle steht dir jederzeit zur Seite – egal, wie deine Entscheidung nach der Geburt aussieht.
Wie erreiche ich den Rettungsdienst für eine vertrauliche Geburt?
Du kannst dich jederzeit – auch noch unter der Geburt – für eine vertrauliche Geburt entscheiden. Wenn du den Rettungsdienst benötigst, zögere nicht, die 112 zu wählen und schicke die Hilfskräfte zu deinem Standort. Teile ihnen mit, dass du eine vertrauliche Geburt wünschst. Dann wird niemand deinen Identitätsnachweis oder deine Krankenversicherungskarte verlangen. Hast du schon ein Pseudonym von der Beratungsstelle erhalten, wende es jetzt an. Ansonsten werden auch ohne Pseudonym alle nötigen Schritte für eine vertrauliche Entbindung eingeleitet.
Was ist der Unterschied zwischen anonymer und vertraulicher Geburt?
Für die Persönlichkeitsentwicklung jedes Menschen ist es wichtig, zu wissen, wo er herkommt. Durch den Herkunftsnachweis bei einer vertraulichen Geburt berücksichtigst du dieses Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Im Gegensatz zu einer anonymen Geburt, bei der das Kind die wahre Identität seiner leiblichen Mutter nicht herausfinden kann, bekommt es bei der vertraulichen Geburt mit dem 16. Geburtstag diese Möglichkeit. Es kann dann beim BAFzA Einsicht in den versiegelten Umschlag mit den Daten der Mutter beantragen. Nur das Kind ist dazu befugt, niemand anderes! Als Mutter hast du auch die Möglichkeit, dem Kind hier eine persönliche Nachricht zu hinterlassen.
Eine Ausnahme gibt es jedoch: Wenn du als Mutter durch die Preisgabe deiner Daten eine Gefahr siehst, besteht die Möglichkeit, ab dem 15. Geburtstag des Kindes zu beantragen, dass der Umschlag auch weiterhin verschlossen bleibt. Dazu verwendest du dann wieder dein Pseudonym und gibst dieses bei einer Beratungsstelle für Schwangere an.
Das Kind bekommt so keine Einsicht in die Daten, kann sein Anliegen allerdings vor ein Familiengericht bringen, das dann entscheiden muss, ob die Preisgabe der Daten die Mutter in Gefahr bringen würde. Während des Verfahrens bleibt deine Identität durch dein Pseudonym weiterhin geschützt. Ein sog. Verfahrensstandschafter vertritt dich vor Gericht. Kosten fallen durch das Verfahren weder für dich noch für das Kind an.
Es gibt jederzeit die Möglichkeit, deine Anonymität aufzugeben – selbst Jahre nach der Geburt noch. Hierzu ist wieder deine Beratungsstelle Ansprechpartnerin.
Auch kannst du dem Kind Nachrichten zukommen lassen. Diese werden von der Beratungsstelle an die Adoptionsvermittlungsstelle weitergeleitet und dort in die entsprechende Vermittlungsakte aufgenommen.
Adoption nach vertraulicher Geburt: Welche Rechte hat der Vater?
Wie gesagt, auch dein Ehemann oder Partner erfährt nichts, wenn du dich für eine vertrauliche Geburt entscheidest. Sollte sich nach der vertraulichen Entbindung der rechtliche Vater des Babys (d. h. der Ehemann der leiblichen Mutter) aber dennoch bei den Behörden melden, kann er der Adoption widersprechen. Allerdings muss dies vor dem gerichtlichen Adoptionsbeschluss erfolgen. Unter gewissen Umständen kann er das Sorgerecht für das Kind verlangen. Es wird jedoch geprüft, ob eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt.
Wenn du nicht verheiratet bist, kann auch der mutmaßliche Vater einer Adoption widersprechen. Er muss allerdings glaubhaft machen, dass er als potenzieller Vater überhaupt in Frage kommt.
Sollte der rechtliche oder auch der mutmaßliche Vater erst nach der Adoption des Kindes von seiner Existenz erfahren, kann er seine Rechte ggf. innerhalb von drei Jahren vor Gericht durchsetzen. Allerdings nur, wenn er beweisen kann, dass er zu Unrecht nicht in den Adoptionsprozess involviert wurde. Die Chancen des Vaters sind dabei allerdings nicht allzu groß, denn:
"Zu Unrecht wurde der Kindsvater in diesem Zusammenhang nur dann nicht beteiligt, wenn seine Vaterschaft dem Familiengericht entweder bekannt war oder das Gericht keine gebührenden Anstrengungen unternommen hat, ihn zu ermitteln. Hat die leibliche Mutter keine Angaben über den rechtlichen oder mutmaßlichen Kindesvater gemacht, kann dieser vom Gericht in aller Regel nicht ermittelt werden, sodass er eine Aufhebung der Adoption nicht durchsetzen kann."
FAQ
Wie ist eine vertrauliche Geburt im Gesetz geregelt?
Was kostet eine vertrauliche Geburt?
Statistik: Wie viele vertrauliche Geburten gibt es in Deutschland?
Quellen: Bundesamt für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ärzteblatt, Caritas NRW, Bayerischer Erziehungsratgeber