Nicht nur ein Baby sondern gleich zwei machen sich auf den Weg: Wenn es heißt "Du bist schwanger mit Zwillingen.", stellen sich eine Menge Fragen. Und die haben wir der Hebamme Jana Friedrich gestellt.
Hebamme Jana Friedrich kennt sich aus! Hier beantwortet sie die fünf wichtigsten Fragen zu Zwillingsschwangerschaften und Zwillingsgeburten.
Was unterscheidet eine Zwillingsschwangerschaft von einer „normalen“ Schwangerschaft?
Bei Zwillings-, oder wie wir sagen Gemini-Schwangerschaften, kommt es deutlich häufiger zu allen üblichen Schwangerschaftsbeschwerden. Also von Übelkeit und Erbrechen bis hin zu Hyperemesis (extremes, krankhaftes Erbrechen), Nierenbeckenentzündungen, Atembeschwerden, vorzeitigen Wehen. Also eigentlich alle Probleme, die es in Schwangerschaften so geben kann, kommen einfach gehäuft vor.
Das heißt im Umkehrschluss aber natürlich nicht, dass es nicht auch völlig unbelastete Zwillingsschwangerschaften geben kann. Im dritten Trimenon sollten sich Frauen mit Zwillingsschwangerschaften mehr schonen. Bei fast 50 Prozent setzen die Wehen zu früh, also vor der 37. SSW ein. Das bedeutet, dass die dann geborenen Kinder als Frühchen gelten. Deshalb sollte, z.B. durch ein vorzeitiges Beschäftigungsverbot und viel Ruhe, das Erreichen der 38. SSW angestrebt werden. Die Kinder gelten dann als "ausgereift".
Worauf muss man bei einer Zwillingsschwangerschaft achten?
Zwillingsmütter sollten die Vorsorgeuntersuchungen wirklich ernst nehmen und vor allem vollständig durchführen. Am besten bei einem mit Zwillings- schwangerschaften gut vertrauten Gynäkologen und einer Hebamme, die entstehende Belastungen schon sehr früh im Blick haben.
Organisatorisch gibt es auch einige Besonderheiten: Ein Zwillingskinderwagen muss z.B. rechtzeitig bestellt werden, denn die Lieferzeiten sind teilweise gigantisch. Auch sollten sich die Eltern frühzeitig um ein gutes Wochenbettmanagement bemühen. Die Möglichkeit, dass der Partner flexibel zwei bis drei Wochen Urlaub nimmt, wäre eine große Erleichterung. Eventuell können eine Haushaltshilfe oder Verwandte und Freunde Haushaltsarbeiten, Kochen oder das Bespaßen von schon vorhandenen Geschwisterkindern übernehmen. Das sind alles Dinge, die man am besten im Vorfeld regelt.
Ist bei Zwillingen ein Kaiserschnitt generell besser?
Hier kommt es vor allem darauf an, wie die Schwangerschaft bisher verlaufen ist, wie die Kinder zum Ende hin liegen und was die Mutter selbst gerne möchte. Wenn alles in Ordnung ist, die Kindslagen günstig sind und die Mutter das wünscht, steht - aus meiner Sicht - den Spontangeburten erst mal nichts im Wege.
Da sich Zwillinge in der Regel etwas früher auf den Weg machen, sollte man zeitig vorbereitet sein (gepackte Kliniktasche!) und wissen, dass man bei einer Geburt vor der 37. SSW in ein Krankenhaus mit Kinderklinik (mindestens Level 2) gehen muss, um die frühgeborenen Kinder bei eventuellen Anfangsschwierigkeiten gut versorgt zu wissen. Auch ein geplanter Kaiserschnitt findet deutlich früher, in der Regel in der 38. SSW, statt.
Eine drohende Frühgeburt, davor haben viele Frauen Angst ...
Bei Mehrlingsschwangerschaften ist das Frühgeburtsrisiko fast um 50 Prozent erhöht. Das kommt einerseits von der starken Dehnung der Gebärmutter und dem erhöhten Druck auf den Muttermund, und andererseits gibt es durchaus eine psychische Komponente, die dabei eine Rolle spielt. Daher mein Aufruf: Schonung, Schonung, Schonung!
Bei Frühgeborenen kommt es natürlich immer sehr auf die tatsächliche Schwangerschaftswoche an, in der sie zur Welt kommen. Je näher das an der 37. SSW dran ist, desto weniger Probleme sind zu erwarten. Bei sehr frühen Frühchen kämpft man daher oft um jeden Tag. Probleme, die Frühchen haben können, sind vor allem Atemprobleme.
Doch es gibt Maßnahmen, mit denen man innerhalb der Schwangerschaft die Beschleunigung der Lungenreife herbeiführt. Das macht man dann, wenn Frühgeburtsbestrebungen schon vor der 34. SSW erkennbar sind. Danach geht man davon aus, dass sich die Lungen von selbst entfalten können.
Manche Frühchen-Eltern haben anfangs Berührungsängste mit ihren kleinen, zarten Kindern. Doch bei den Eltern, die ich bisher betreut habe, gab sich das immer sehr schnell wieder. Ein besonderes Geschenk, das Frühchen-Mütter ihren Babys machen können, ist das Stillen oder zumindest das Abpumpen und Füttern von Muttermilch. Die Brust einer Frühchen-Mutter produziert auf wundersame Weise genau die Milch, die für Frühgeborene besonders wertvoll ist! Sie stärkt die Darmentwicklung beim Kind und sorgt für ein stabileres Immunsystem.
Welche Erfahrungen hast du persönlich mit Zwillingen gemacht?
Ich habe eine Weile in einer Level-1 Klinik gearbeitet. Das heißt, in einer Klinik, die auf Risikoschwangerschaften spezialisiert ist und eine angeschlossene Kinderklinik hat. Dort habe ich viele, auch spontane, Zwillingsschwangerschaften betreut. Das ist schon immer etwas ganz Besonderes.
Für mich ist es dabei immer sehr spannend durch Tasten heraus zu bekommen, wie die Kinder im Bauch genau liegen, um dann in der Lage zu sein, die jeweiligen Herztöne korrekt abzuleiten. Es kommt nämlich immer mal wieder vor, dass man ein schönes CTG geschrieben hat, um dann festzustellen, dass das Gerät zwei Mal den gleichen Zwilling aufgenommen hat. Das nützt einem dann natürlich nichts und man muss das CTG erneut schreiben. Zwillingsgeburten sind also schon etwas aufregender und erfordern einen entsprechend erhöhten Personaleinsatz. Selbst bei einer Kaiserschnittgeburt braucht es allein schon zwei Hebammen, um die Kinder abzunehmen und zu versorgen.
Bei einer doppelten Spontangeburt ist der Moment spannend, wenn das erste Baby kommt. Wie wird sich der nachfolgende Zwilling verhalten? Wird er in die richtige Geburtsposition rutschen? Oft kommt der zweite Zwilling unmittelbar hinterher, aber manchmal liegt auch eine recht lange Pause dazwischen. Das Verrückteste ist, wenn Zwillinge an Silvester geboren werden. Da kann es wirklich sein, dass einer im alten und einer im neuen Jahr geboren wird. Das sind dann Zwillingsgeschwister aus unterschiedlichen Jahrgängen!
Aber auch in der häuslichen Wochenbettbetreuung gibt es spezielle Herausforderungen. Das Stillen des Doppelpacks ist z.B. für manche Frauen nur nacheinander denkbar. Aber manche Frauen lernen beide Kinder simultan anzulegen. Da hat dann jedes Kind manchmal seine ganz eigene Trinkseite.
Das Fazit aller bisher von mir betreuten Zwillingseltern war übrigens: Auch wenn am Anfang alles etwas anstrengender ist, Zwillinge sind einfach toll!
Über Jana Friedrich
Jana Friedrich ist 42 Jahre alt, Hebamme seit 16 Jahren und selbst Mama von zwei Kindern. Auf ihrer Website Hebammenblog.de teilt sie nicht nur ihr Wissen und ihre Erfahrung, sondern auch ihre Leidenschaft. Das Motto: Altes Wissen, frisch bebloggt - ist wörtlich zu nehmen. Pragmatisch, fundiert und immer mit dem Herzen bei Mama und Baby.
Bildquelle: Jana Friedrich